Wählerdynamiken

und Potentiale

Wer Erfolg- uns Misserfolg der AfD verstehen will, kommt nicht daran vorbei die Entwicklungen in den Wählerdynamiken und Potentialanalysen nachzuvollziehen. Wir liefern eine erste Grundlage. 

Wer die Zukunfts- und Erfolgschancen einer Partei bewerten will, muss die Potentiale und unausgeschöpften Reservoirs in den Wählerschaften kennen und einordnen können. Für die AfD kann inzwischen durch Umfragen, Wahlergebnisse und wissenschaftliche Studien recht zuverlässig nachvollzogen werden, wer ihre Bestandswähler sind und wie sich diese in ihren Motivlagen sowie sozioökonomischen und demographischen Eigenschaften zusammensetzen. Ein umfänglicher Strategiemix muss jedoch auch das noch zu erreichende Potential abschätzen, um aktuelle Defizite auf dem Weg dahin identifizieren und zukünftige Positionen und Stellungen ableiten zu können. Der Wählermarkt ist in einem Fünf-Parteien System wesentlich dynamischer geworden und von mehr Volatilität und Wechselbereitschaft geprägt.

Enge Parteibindungen- und Identifikationen lösen sich auf und lassen neue politische Kräfte entstehen oder machen aus früheren Underdogs wie den Grünen innerhalb weniger Jahre Regierungsparteien auf Länderebene und ambitionierte Mitbewerber um das Kanzleramt. Insbesondere für die AfD stellt sich nach den Verlusten der letzten Wahlen und einer zweijährigen Verlust- und Stagnationsphase in den Umfragen die entscheidende Frage, aus welchen Wählertöpfen sie zukünftig schöpfen kann.
Da die Partei nun bei den meisten Landes- und Bundestagswahlen (Niedersachsen, Hessen und Bayern ausgenommen) zum zweiten oder dritten Mal angetreten ist, können wir auch Wanderungsbewegungen, Stammwählerschaften und Wählermotivationen präziser und tiefgründiger nachvollziehen.

Die INSA-Potentialanalyse gibt einen wöchentlichen Überblick über die engere Wählerschaft der Parteien und ihre erweiterten Potentiale an alternativen Wahlpräferenzen. Für die AfD kommen wir bei den addierten Werten aktuell auf ein Gesamtpotential von 17%.

Die signifikante Ablehnung gegenüber der AfD überwiegt schon seit Gründung der Partei ihre Zustimmungswerte. Die größten Bewegungen konnte die AfD im engen Wählerpotential ausmachen, was laut INSA von 9% bis 18% im Herbst 2018 reichte. In der Zweitwahlpräferenz bleibt die AfD jedoch in ihrem 4-6% Bunker eingemauert. Für die Umfragen von INSA kann dies nur bedeuten, dass das enge Wählerpotential entweder auf eine volle Zustimmung ausgerichtet ist oder auf Nichtwahl/Wahlenthaltung. Die AfD kann bei Betrachtung der erweiterten Potentialräumen aus anderen Wählerspektren kaum Zugewinne verzeichnen.

AfD-Anhänger und ihre Wechselbereitschaft

Dies verdeutlicht einen Befund, der bereits in früheren Studien zur Wechseldynamik in der Wählerschaft ausgemacht wurde. AfD-Anhänger zeigen die geringste Bereitschaft für die Wahl einer anderen Partei innerhalb des etablierten Spektrums. Wie hoch die Wechselbereitschaft der unterschiedlichen Wählerschaften der Parteien ist, kann unter anderem mit dem sogenannten »Availibility Index« gemessen werden. Über verschiedene Modellierungen in Umfrage-Items kann nachvollzogen werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Wähler einer Partei auf dem Wählermarkt für die anderen politischen Mitbewerber verfügbar ist. Eine Vergleichsstudie zwischen 2013 und 2015 verdeutlicht bereits eine Tendenz, die der AfD bereits in ihrer Frühphase eine hohe Bindungskraft ihrer eigenen Wählerschaft attestiert.

2013 waren die Wähler von SPD und Linkspartei am wenigsten offen, einer anderen Partei als der ihrigen ihre Stimme zu geben, während der Wert bei der AfD als neue Partei am höchsten lag. Schon zwei Jahre später war die erfolgreiche Rekrutierung eines AfD-Wählers für andere Parteien am unwahrscheinlichsten.
Einerseits zeigt dies, dass mit dem Aufkommen der AfD 2013 nicht nur ein temporäres Protestphänomen zum Ausdruck kam. Andererseits hat sich dieser Protestimpuls ab 2015 mit dem Aufkommen der Migrationskrise auch verstetigt. Die Brüche innerhalb der gesellschaftspolitischen Debattenkultur verliefen nicht nur entlang der Euro-Rettungspolitik 2013, sondern fanden mit der Migrationskrise 2015 ein weiteres dynamisierendes Momentum. Dieses Momentum schuf eine günstige Gelegenheitsstruktur für ein oppositionelles Profil, wodurch die Partei ihr anfängliches Mobilisierungspotential schnell auf eine eng gebundene Kernwählerschaft verdichten konnte.  Die Bereitschaft, keiner anderen Partei die Stimme zu geben, ist bei der AfD laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung fast doppelt so hoch wie bei den Anhängern anderer Parteien. Im Osten würden sich unter den AfD-Anhängern 49% für »keine andere Partei « bei den Zweitwahlpräferenzen entscheiden. Im Westen ist es mit 41% etwas weniger Wähler, aber immer noch deutlich mehr als in anderen Wählerspektren.

Die Wahrscheinlichkeit, die Partei wiederzuwählen, die man auch bei der letzten Wahl auf dem Stimmenzettel angekreuzt hat, liegt bei den AfD-Anhängern bei 71% und damit auch hier deutlich höher als bei anderen Parteien. Lediglich die Grünen kommen mit 67% Wiederwahlwahrscheinlichkeit auf einen ähnlich hohen Wert.

Es gibt innerhalb der AfD-Wählerschaft inzwischen einen erhöhten Identifikationsgrad, der sich als fortgesetzter Protestimpuls betrachten lässt. So entwickelt sich innerhalb der AfD-Wählerschaft sogar eine Art „Wir-Gefühl“, welches aber auch unter anderem als Reaktion auf die beständige Diffamierung und Ausgrenzung des etablierten Parteienspektrums gesehen werden kann.

Die Wahlbereitschaft für die AfD speist sich heute vielmehr aus der Enttäuschung und dem Verdruss gegenüber dem herrschenden politischen Betrieb als aus einer programmatischen Überzeugung. Knapp 61% der AfD-Anhänger geben an, dass sie die AfD eher aus Unzufriedenheit gegenüber den anderen Parteien wählen.

Insoweit muss ein ambivalenter Blick erfolgen: Einerseits lässt sich hinsichtlich der Zweitwahlpräferenzen unter AfD-Anhängern die geringste Volatilität erkennen, sich für eine andere Partei zu entscheiden, was gegen die oftmals aufgestellte Behauptung einer reinen Protestpartei spricht. Andererseits zeichnen die Befragungen zur Wahlmotivation das klassische Bild einer Protestwählerschaft, die sich über gegenmediale Angebote und einer notgedrungenen inneren Solidarität als Stammwählerschaft verfestigt hat.
Anders als jene Vorgängerparteien rechts der CDU in der alten Bundesrepublik hat es das politische Establishment nämlich nicht vermocht, die AfD mittels eigener rechtskonservativer Programmangebote zu neutralisieren. Anfang der 90er Jahre wurden bspw. die Republikaner durch den Asylkompromiss der Union erheblich geschwächt, wodurch ihnen damals das entscheidende Mobilisierungsthema, die Asylpolitik nämlich, genommen wurde und sie anschließend einen stillen politischen Tod starben. Die NPD konnte 1969 mit der haarscharfen Verfehlung des Bundestagseinzugs (4,7%) einen Achtungserfolg erreichen. Ab den 70er Jahren konnte die CDU in der Opposition jedoch wieder als Sammlungsbewegung rechtsaffine und konservative Wähler an sich binden und die NPD in ihre bis heute anhaltende Sektenexistenz katapultieren. Das konservative Mimikry der Altparteien blieb mit dem Aufkommen der AfD jedoch aus und sorgte für einen verstärkten antagonistischen Gegenreflex, dem die AfD inzwischen offenbar eine größere Stammwählerbasis zu verdanken hat. Dies führte jedoch auch dazu, dass die AfD nur noch auf ein minimales Wählerpotential aus den etablierten Parteien schöpfen kann.

Die Anfangsdynamik der AfD ist inzwischen deutlich gebremst worden. Ihre Stammwählerschaft ist bei den vergangenen Wahlen zu ihrer Lebensversicherung geworden, die Mobilisierungskraft aus anderen Wählerspektren fiel seit 2020 jedoch deutlich geringer aus als bei der Erfolgswelle zwischen 2016 – 2019.

Die Wählerdynamiken der letzten Wahlen.

Hier wollen wir erste Sezierungsarbeit leisten und anhand der absoluten Stimmengewinne und Verluste sowie ihrem umgerechneten prozentualen Anteil aufzeigen, wie die Wählerbewegungen ausgefallen sind. Anhand eines Vergleichs der Zugewinne und Verluste aus den unterschiedlichen Wählerspektren wird zunächst deutlich, dass die AfD ihre große Mobilisierungsstärke bei nahezu allen Wahlen aus dem Nichtwählerlager schöpfen kann. Gleichzeitig zeigen sich hier aber auch die stärksten Verluste bei den vergangenen Wahlen, was die gängige These von der großen Fluktuationstendenz im Nichtwählerspektrum zu bestätigen scheint.

Fast die Hälfte aller Wählerverluste gingen in das Nichtwählerspektrum, gefolgt von Verlusten an die CDU. Über die Motivation der abgewanderten Nichtwähler kann hier nur spekuliert werden. Einerseits könnte die AfD Erwartungen auf einen schnellen Politikwandel enttäuscht haben oder aber das medial installierte Außenbild einer »extremistischen Partei« ist mit dafür verantwortlich, dass manche Wähler politisch vollends resigniert haben. Eine Studie der Konrad Adenauer unter dem Titel „Heterogenität des Protestes“ führte mit mehreren AfD-Anhängern qualitative Interviews, um ihre Wahlentscheidungsmotivationen und Einstellungen zu beleuchten. Es zeigt überwiegend ein Bild von klassischer Enttäuschung, von Verdruss, Unzufriedenheit und politischem Zurückgelassensein. So sind in der Studie Zitate wiedergegeben wie:

„Ich wähle die AfD, weil ich über die anderen Parteien frustriert bin.”

„Haben noch keine Regierungsverantwortung, da kann man noch große Töne spucken.”

„Man testet es aus. Aber ob es was wird.. Sehe ich noch Zweifel. […] Letztendlich ist es so, wenn die AfD in der Bundesregierung ist, […] dass es dann auch nur Marionetten sind, dass sich nie was ändern wird.”

„Bisschen Leben in der Politik! So will ich das haben. Die Politik in der AfD ist nicht so – aber die Diskussion in Gang bringen. Einfach ein bisschen Aufwachstimmung erzeugen. Gegen den Schlendrian, [damit] sich die anderen Parteien mehr anstrengen. Nicht so ganz der Einheitsbrei.”

Die Aussagen der Studie haben gewiss noch keinen repräsentativen Charakter, aber sie können ein mögliches Stimmungsbild wiedergeben, was manche AfD-Funktionäre möglicherweise auch in ihrer eigenen Kommunal- und Wahlkreisarbeit erleben.

Ein Blick auf den Ost-West Unterschied zeigt hinsichtlich der Mobilisierungskraft der AfD nochmal einige Unterschiede. Die Verluste an das Nichtwählerlager scheinen bei den Landtagswahlen wesentlich drastischer auszufallen. Im Osten ist es der Verlust an die beiden großen Volksparteien CDU und SPD, wobei wir hier nur mit Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zwei Vergleichsgrößen haben. Die Verluste an die großen Regierungsparteien beider Länder sind jedoch auch aufgrund einiger landespolitischer Spezifika entstanden.

Die Daten zeigen, dass die AfD mit den Nichtwählern groß geworden ist und diese aber zugleich auch ihr weiteres Schicksal besiegeln könnten. Die Wahlen der letzten Jahre mit ersten Verlusten für die AfD im Vergleich zu denen mit Gewinnen zeigen, dass der Mobilisierungsanteil unter den Nichtwählern drastisch zurückgegangen ist. Alle vergangenen Wahlen der letzten zwei Jahre weisen schließlich auch einen negativen Saldo bei Nichtwählern aus, was den oben beschriebenen Befund der geringen Wechselbereitschaft der AfD-Wähler zu etablierten Parteien nochmals unterstreicht. Dies könnte jedoch auch heißen, dass Ex-AfD-Wähler weiterhin unzufrieden bleiben, doch die Partei nicht mehr den Aufbruchsgeist und den politischen Erneuerungswillen einer echten politischen und diskursiven Wendepolitik authentisch vermitteln kann.

Die Wahlerfolge vor 2020 (Thüringen, Sachsen, Hessen usw.) zeigen schließlich, dass die Wählermobilisierung eine prozentual ausbalancierte Mixtur aus Nichtwählern, Stammwählern und Wähler anderer Parteien gewesen ist, während bei den Wahlen mit Verlusten ein großer Teil auf das Wegbleiben von Wählern zurückzuführen ist, die zuvor schon die AfD gewählt haben. Wir sehen bei der AfD aktuell einen Sättigungseffekt in der Nichtwählermobilisierung. Eine Studie der Friedrich Ebert Stiftung untersuchte bereits anhand unterschiedlicher Berechnungsmodelle die Wahlneigung von Nichtwählern. Hier lässt sich feststellen, dass auch Nichtwähler eine überwiegende Präferenz in Richtung der großen Volksparteien haben. Die AfD kann jedoch offenbar ihr Nichtwählerpotential besser als andere Parteien ausschöpfen. Der große Gesamttopf des Nichtwählerreservoirs bleibt ihr scheinbar jedoch verschlossen.

Auch eine Befragung der Hans-Böckler-Stiftung macht deutlich, dass die politische Selbstverortung der Nichtwähler nicht signifikant „rechter“ ist als die aller Wähler. Die Nichtwahl ist demnach weniger Ausdruck einer ideologischen Überzeugung als vielmehr einer diffusen Gemengelage aus Frustration, Resignation und Enttäuschung. Man könnte es auch mit einer Hypothese soweit überspitzen, dass Nichtwähler die AfD wählen, weil sie vom Profil her eine „andere“ bzw. „neue Partei“ ist und nicht eine „rechte Partei“. Die AfD wurde in diesen Wählergruppen vielmehr als Lautsprecher für jene Positionen im Diskurs gesehen die im Klima der linken Meinungsführerschaft erstickt wurden. Ein geschlossenes ideologisches Bild der AfD gibt es jedoch nicht. Die Motivlagen zur Wahl der AfD folgen einem diffusen Unbehagen gegenüber der Globalisierung, der Beschränkung der Meinungsfreiheit und einem materiellen Besitzstandskampf. Dies muss jedoch im Professionalisierungsprozess der Partei selbstverständlich mit intellektuellen und metapolitischen Ressourcen unterfüttert werden.

Protestpartei oder politische Gestaltungskraft?

Die Protestdynamiken der früheren Wahlen innerhalb der AfD-Wählerschaft haben sich vorerst gelegt und die hybride Mobilisierungskraft aus unterschiedlichen Wählerlagern scheint sich stetig auf eine stabile Kernwählerschaft zu komprimieren. Somit stellt sich für die AfD künftig eine grundsätzliche Positionierungsfrage, nämlich ob sie weiterhin als Protestpartei auf ein großes Gesamtpotential unzufriedener und enttäuschter Wählerschaften setzt und damit aber auch in Abhängigkeit externer Protestgeschehnisse und nur schwer beeinflussbarer gesellschaftlicher Stimmungslagen steht, oder ob sie eher ein programmatisch-visionäres Gegenangebot schafft, welches fachpolitische Kompetenzbildung und politischen Gestaltungswillen zum Ausdruck bringt. Der Anfangserfolg der AfD war recht eindeutig auch durch ihren Status als neue Kraft begründet, in die viele Hoffnungen auf eine politische Wandelkultur projiziert wurden. Dieser Effekt kann sich schnell abnutzen und könnte unter anderem die hohen Abwanderungsbewegungen und mangelnde Mobilisierungsstärke im Nichtwählerlager erklären.
Dennoch dürfte es in der aktuellen Lage wenig realistisch sein, dass die AfD eine grundsätzlich andere Erzählung als die der Protestpartei aufbauen könnte. Dafür sind die Spannungen und Polarisierungen zu evident, als dass die AfD plötzlich und hauptsächlich als politische Problemlöser auftreten, was nicht heißt, dass dieser Ansatz nicht als mittelfristiges strategisches Positionierungsziel unbedingt mit in Erwägung gezogen werden sollte.

In diesem Kontext von Mobilisierungspotential und politischer Positionierung hilft es, die AfD-Wählerschaft in elektoralen Raumkonzepten zu betrachten. In einem unserer letzten Artikel haben wir uns bereits dem Nebel um den Begriff der „bürgerlichen Mitte“ angenähert und dabei die unterschiedlichen Verortungen der AfD-Anhänger im politischen Koordinatensystem skizziert. Dabei ist deutlich geworden, dass die ideologischen Schnittstellen zu konservativen CDU- und FDP-Wählerschaften innerhalb des Gesamtelektorats immer noch am größten sind. Das bedeutet nicht, eine politische CDU- oder FDP-2.0-Programmatik zu affirmieren. Es ist völlig klar, dass der überwiegende Wähleraustausch im Unionsspektrum zwischen CDU/CSU und den Grünen verläuft. Die AfD bleibt in der komfortablen Position, den Mitte-Rechts-Raum als Repräsentationslücke geschlossen zu haben und für sich allein zu beanspruchen. Dabei darf die Distanz in das Mitte-Lager jedoch nicht zu groß sein.

Über die Vermessung der Wählerräume in Kohärenz mit den Parteipositionen bestätigt sich ein Befund, der schon in früheren Studien nachgewiesen wurde. Auf der kulturellen Achse sind AfD-Wähler rechter positioniert als die Wähler aller anderen Parteien, während die sozioökonomische Achse (hier eine Abfrage zum Verhältnis von Wohlfahrtsstaat und Staatsinterventionismusverzicht) eine deutlich gespaltene Linie in der Parteianhängerschaft aufzeigt. Für die AfD zeigt sich, dass sie auf der kulturellen Achse einen weitaus rechter verorteten Raum dominieren kann. Dennoch bleibt die höchste Dichte innerhalb mittiger Positionen angesiedelt – das bedeutet eine Balance zwischen Wohlfahrtsstaat und Kritik am Staatsinterventionismus sowie zwischen kultureller Offenheit und Globalisierungs- und Migrationskritik.

Die AfD muss ihre Alleinstellungsmerkmale innerhalb ihres Kernwählerraumes selbstverständlich verteidigen. Gleichzeitig muss sie jedoch auch (und wir wissen, wie kontrovers diese Position innerhalb der AfD manchmal ist) weiterhin ein wählbares Alternativangebot für die enttäuschten und resignierten Unions- und FDP-Wählerschaften sein. Die Potentialräume am ganz rechten Rand sind nur noch außerordentlich dünn besiedelt.

Es geht nicht um eine inhaltliche Kopie, sondern um die kommunikative und programmatische Signalisierung an diese „bürgerlichen Milieus“, dass mit der AfD ein politisches Alternativangebot zur Verfügung steht. Somit darf sich die Partei nicht in eigenen ideologischen Konflikten verkämpfen, sondern sollte auch immer die Tatsache im Hinterkopf behalten, dass bisweilen alle größeren Wahlerfolge jeweils zu einem Drittel (wie oben dargestellt) aus der Mobilisierung von Nichtwählern, Kernwählerschaft und anderen Parteien bestand. Das sollte Grundlage jeder Potentialanalyse sein und innerhalb parteiinterner Erneuerungsprozesse berücksichtigt werden. Zugleich gilt es eine Skizze vom prototypischen AfD-Wähler zu entwerfen. Dieser muss nicht missioniert oder erzogen, sondern überzeugt werden! Insofern liegen für die AfD tatsächlich noch spannende Jahre vor ihr.

Einerseits könnten neuaufkommende Proteste das Wählerpotential wieder erweitern und das Statusbild der AfD als Establishment-Alternative verfestigen. Wenn sie es unter diesen Bedingungen parallel schafft auch ihr Kompetenzprofil, Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufzubauen, könnte dieses Parteiprojekt nochmal eine neue Aufbruchsdynamik erzeugen. Manche mögen dies als naiven Optimismus abtun, aber die Daten und Fakten liegen auf dem Tisch. Sie müssen nur wahr- und ernstgenommen werden.

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