Die AfD in der
Russlandfrage

Auch die Ukraine-Russland Krise wird voraussichtlich ein Thema sein, bei dem die AfD kein besonderes Profil unterstreichen kann. Kein besonderes Agenda-Setting und keine gefragte Expertise über entsprechende Fachpolitiker. Die Partei krankt seit Corona immer wieder an mangelnder Fähigkeit zur Skizzierung inhaltlicher Leitlinien und dem Aufbau entsprechender respektierter fachpolitischer Akteure. Die Russlandfrage ist jetzt nur eines von vielen Beispielen.

Dem rechten und patriotischen Lager war schon immer eine gewisse Konfliktleidenschaft und Obsession in außenpolitischen Zusammenhängen inhärent. Egal ob in der Frage zu Israel/Palästina, Iran, China oder jetzt eben Russland, Binnendiskurse und Meinungsverschiedenheiten waren immer die Regel. Meist sehr leidenschaftlich, teils sogar mit spalterischer Aggressivität, werden ausländliche Konfliktlinien zu existenziellen Standpunktfragen, die den weltanschaulichen Kompass des rechten Lagers neu ausrichten.
Das außenpolitische Geschehen zieht viele Rechte in einen faszinierenden Bann. Eigene weltanschauliche Leerstellen können durch die Positionierung für die eine oder andere Konfliktpartei substituiert werden. Auch das linke Lager, unversöhnlich gespalten zwischen pro-palästinischen Antiimperialsten und antideutschen Israelbefürwortern, kann hiervon ein Lied singen.

Nun ist also der Ukraine-Russland-Konflikt auch zur neuen Schablone innerhalb der Rechten und insbesondere der AfD geworden, mit der manche ihre weltanschaulichen Gewissheiten verteidigen und andere revidieren. Vor dem russischen Einmarsch herrschte zu dem Thema innerhalb der Partei noch weitestgehend Einigkeit. Russland wurde als strategischer Partner für Deutschland und Europa betrachtet. Die ökonomischen Beziehungen sollten ausgebaut werden und die Markierung von Putin als Feind wurde als altes Denken des Kalten Krieges zurückgewiesen.
Konsens der AfD war eine moderne Russlandpolitik, die undogmatisch und ohne ideologische Scheuklappen Russland als Partner für Deutschland und Europa auf Augenhöhe betrachtete. Allein im letzten Jahr sind mehrere AfD-Delegation in die Russische Föderation gereist und konnten sich dort mit ranghohen politischen Vertretern austauschen. Schon dort machten sich aber auch bereits erste innerparteiliche Risse bemerkbar.
Insbesondere Chrupallas Besuch einer Grabstätte für gefallene russische Soldaten löste bei manchen Patrioten in Deutschland große Irritation bezüglich der historischen Sensibilität aus. Auch stellte sich die Frage, ob die vielen und zeitlich dicht aufeinanderfolgenden Besuche in Russland nicht auch außenpolitisch und diplomatisch noch etwas zu große Schuhe waren, in die sich die AfD begab. Doch dies kann dahingestellt bleiben. Die Partei sammelte ihre Erfahrungen auf dem internationalen Parkett und konnte ein Bild der außenpolitischen Seriosität von sich zeichnen.

Gleichwohl die Partei immer auch von einem stark transatlantischen Flügel geprägt war und nach wie vor ist, war die Sprachregelung und inhaltliche Positionierung zu Russland immer klar: Frieden mit Russland, keine unnötigen Provokationen des Westens, wirtschaftliche Partnerschaft und intensiverer kultureller Austausch.
Diese einheitliche Linie wurde spätestens ab dem 24.02.2022 aufgebrochen und innerhalb der Partei kam es zu Verschiebungen hinsichtlich der Positionierung zur Russlandfrage. Sowohl in der Bundestagsfraktion als auch im AfD-Bundesvorstand herrscht seitdem Einigkeit, dass Putins militärischer Einmarsch in die gesamte Ukraine ein Akt der Aggression sei. Diese Position ist zunächst einmal billig zu haben. So ist sie einerseits Konsens im gesamten medialen Mainstream und auch als Russland-Versteher wird man kaum noch eine rechtfertigende Erklärung für diese Invasion finden.

Das schließt nicht aus, dass es irgendwo eine kühle Verständnisebene für die geopolitischen Interessen der russischen Regierung gibt. Dieser Konflikt führt dem Westen schließlich nach Afghanistan ein zweites Mal vor, dass Kriege und militärische Auseinandersetzungen trotz aller pazifistischen Illusionen immer noch feste Zivilisationskomponenten sind. Dennoch kann man aber auch aus einer pragmatischen Perspektive annehmen, dass Putin sich mit seiner Operation in der Ukraine verzockt haben könnte. Die peinliche Propagandashow des Kremls von einer „Entnazifizierungsmission“ können jedoch auch nur noch jene glauben, die nicht verstanden haben, dass der Nazivorwurf eben zu einer moralisch-legitimierenden Universalwaffe geworden ist, der sich jetzt schließlich auch Putin bemächtigt.

In der Sondersitzung des Deutschen Bundestags merkte man in den Redebeiträgen die Unsicherheit mancher Abgeordneter an. Es war ein Balanceakt zwischen der Verteidigung der früheren Position und die Anerkennung der neuen Bedingungen in der Bewertung des Verhältnisses zu Russland. Die Sprachregelung war jedoch erkennbar. Es ist ein nicht zu rechtfertigender Angriffskrieg von Russland, an dessen Entstehung der Westen kräftig mitgearbeitet hat.
Das schien manchen in der AfD und dem Umfeld jedoch nicht auszureichen. Der JF-Chefredakteur Dieter Stein zeigte sich gleich in mehreren Tweets enttäuscht über die viel zu undeutliche und missverständliche Verurteilung der russischen Aggression. Dass alles sind am Ende jedoch nur Performance- und Stilfragen.



Man fragt sich jedoch schon, warum viele jetzt noch deutlichere Verurteilungen der russischen Invasion fordern. Wozu sollte man sich als Oppositionskraft mit diesem Theater aus leeren Worten, folgenlosen Solidaritätsbekundungen und Symbolpolitik gemein machen? Die Empörungsschleifen des Mainstreams haben immer wieder das gleiche vorhersehbare Muster des Bekenntniszwangs. Warum also mitspielen und ein peinliches „virtue signalling“ betreiben, was kaum glaubwürdig sein wird? Das, was die Altparteien betreiben, mag vielleicht staatstragend sein, politisch erwachsen ist es deswegen noch lange nicht.

Konkreter werden die Herausforderungen dann jedoch in den tatsächlichen politischen Anforderungen und Entscheidungen. Wie positioniert sich jetzt die AfD zu einem 100 Milliarden Euro schwerem Paket für die Bundeswehr? Wie verhält es sich mit ukrainischen Kriegsflüchtlingen? Hier wird einmal mehr das Dilemma der Partei deutlich, wodurch ihr jedes Krisenthema der letzten zwei Jahre aus der Hand gleitet.

Bei Corona hat man einen großen Schwenk vom Lockdownbefürworter zum Maßnahmenkritiker vollzogen und dabei auch so manche Position übernommen, die tatsächlich nicht mehr anschlussfähig war. Manche Funktionäre und Mandatsträger sehen ihren politischen Auftrag vor allem auch in einem persönlichen Missionierungseifer, der das Einhalten von kommunikationsstrategischen Zielvorgaben, Framings und Wordings und inhaltlichen Beschlüssen zunehmend erschwert. Der innere Rebell wird zu einer Attitüde, die auch innerparteilich mit Genuss ausgelebt wird.

Die Hochwasserkatastrophe in Südwestdeutschland traf die Partei inmitten des Wahlkampfes. Zwar gab es einige solidarische Hilfseinsätze vor Ort und Pressebilder, aber für einen großangelegten Einsatz fehlten vermutlich auch die logistischen Ressourcen.

Dann kam im August 2021 Afghanistan. Zwar gewinnt man mit außenpolitischen Themen keine Wahlen, aber die Folgen nach der Rückkehr der Taliban und die prognostizierten Migrationszahlen spülten unweigerlich ein AfD-Kernthema wieder in den Diskurs. Anstatt das Momentum zu nutzen, entbrach ein tagelanger Streit über die AfD-Positionierung zu afghanischen Ortskräften.

Schließlich ergab die Weißrussland-Krise nochmal ein ähnliches Bild wie in Afghanistan. Doch ab dem Zeitpunkt wirkte die Partei erschöpft vom Wahlkampf und frustriert über das eher durchwachsene Ergebnis, sodass es lediglich nur einzelne Landesverbände im Osten waren, die zu dem Thema kleinere Kampagnen starteten. Alles jedoch ohne relevante Durchschlagswirkung.

Jetzt in der Ukraine Krise ist ebenfalls keine inhaltliche Wiederbelebung oder ein offensives Agenda-Setting zu erwarten. Die Führung versucht sich auf wenige Minimalkompromisse zu verständigen, um irgendwie den inneren Frieden in der Partei zu wahren. Zu angespannt und explosiv scheinen die innerparteilichen Konfliktherde in der Ukraine-Russland Krise zu sein. Gleichzeitig dürfte die mediale Aufmerksamkeitsökonomie ihren Blick auch stärker auf das weltpolitische Schachbrett werfen als auf die Stellungnahmen von AfD-Politikern. Hier zeigt sich auch eine personelle Schwachstelle in der Partei, beispielsweise im Fehlen von fachpolitischen Experten, deren Zuständigkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit der Partei klar definiert sind. Manche wollen sich gezielt zu außenpolitischen Themen äußern, weil sie wissen, dass dieses Thema mehr eigene Profilschärfe ermöglicht als Sportpolitik oder Landwirtschaft. Die Konsequenzen sind dann absurde Verirrungen, in denen bspw. Verkehrspolitiker plötzlich im Donbass eine „Antifaschistische Konferenz“ unter russischer Schirmherrschaft besuchen. Außenpolitiker sein heißt eben mehr als nur die weite Welt zu bereisen. Die AfD sollte demnach zukünftig auch einen Fokus auf die öffentliche Positionierung ihrer Fachpolitiker legen, um auch sicherzustellen, dass kommunikative Sprachregelungen nach außen kontrollierbar, geschlossen und koordinierbar bleiben. Dies soll keineswegs den parteiinternen Binnendiskurs ersticken. Aber zur Professionalisierung der Partei müssen auch inhaltliche Orientierungsmarken gesetzt werden, nach denen sich Parteikader grob richten und spezifische Diskurse in der Partei moderieren können. Allzu oft fehlt es an Disziplin und dem Einhalten grundlegender Leitlinien, Zuständigkeiten und gegenseitigen Abstimmungen.

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