Wer sind eigentlich die Wähler der AfD? Wie sieht ihre Mentalstruktur aus? Was sind die zusammenhängenden soziodemographischen Milieus und ökonomischen Statuslagen, die eine Entscheidung für die AfD begünstigen oder erschweren? Und warum dürfte es trotz vieler gemeinsamer emotionaler und sozialer Attribute so schwierig sein „konservative“ CDU-Wähler zu gewinnen. Wir geben einen ersten Überblick zu den Einstellungsmustern der AfD-Wählerschaft und stellen Thesen zur Diskussion, warum die Partei vorerst ihr mögliches Wählergesamtpotential nicht ausschöpfen kann.
Wer Wahlkämpfe plant und organisiert steht immer vor der ersten Herausforderung ein Verständnis und Zugang zur eigenen Zielgruppe zu entwickeln. Dabei geht es darum Erwartungen an die jeweilige Partei, soziale Einbindungen und individuelle Wahlentscheidungsprozesse nachzuvollziehen, um diese anschließend mit dem programmatischen Profil und der kommunikativen Architektur in Einklang zu bringen.
Der Streit um die richtige politische Markenbildung ist inzwischen so alt wie die AfD selbst. Die einen fokussieren sich eher auf einen bürgerlichen und an der Mitte orientierten Kurs, der insbesondere das klassische, konservative Leistungsträgermilieu ansprechen soll. Die andere Seite sieht die AfD als klar populistische Protestpartei, die die Interessen der sozial- und ökonomisch Abgehängten akkumuliert und dabei auch enttäuschte Links- und Nichtwählermilieus zu erreichen versucht. Dieser Ausrichtungskonflikt könnte für die AfD theoretisch durchaus belebend und fruchtbar sein, sofern er anhand empirischer Daten, analytischer Erkenntnisse und nicht nur über anekdotische Erfahrungen, Chiffren, Mutmaßungen und Zirkelschlüsse geführt werden würde.
Um das Wahlverhalten und die Parteipräferenzen zu bestimmen, haben sich in der Politikwissenschaft über die Jahrzehnte unterschiedliche Ansätze entwickelt. Während über Jahre unter anderem die sogenannte „Rational Choice Theory“ dominierte, wonach der Wähler seine Entscheidung für eine Partei nach dem größtmöglichen persönlichen Nutzen abwäge, kamen neue Ansätze hinzu, die die vielfältigen sozialpsychologischen Aspekte im Wahlentscheidungsprozess berücksichtigten. Heute hat sich in der Politikwissenschaft ein stetig wachsendes Forschungsfeld etabliert, welches neben dem Faktor Parteibindung auch die konkrete Wählermotivation und das Wahlverhalten entlang sozialer Milieus und Wertvorstellungen analysiert.
Man könne heutzutage nicht davon ausgehen, dass es genüge, der Zielgruppe eine bestimmte Themenpalette anzubieten und zu den jeweiligen Themen möglichst vernünftige und rationale Positionen zu formulieren. Wahlprogramme haben jedoch noch nie eine Wahl entschieden. Es geht nicht nur darum, ein politisches Angebot zu unterbreiten, sondern dieses Angebot authentisch und nachvollziehbar in die unmittelbaren Lebenswelten der Menschen zu transportieren.
Man kann sich sicherlich stundenlang in der Analyse von Wählerwanderungen, programmatischen Vergleichen, eigenen Hypothesen und Anekdoten aus dem eigenen Umfeld verlieren. Der größte Erkenntnisgewinn ergibt sich jedoch eher aus der Betrachtung psychologischer und sozialer Einstellungsmuster, die von entsprechenden Milieus aufgezeichnet werden können.
Sinus-Milieus – Der Standard
Als klassische Methode der Kategorisierung sozialer Gruppen gelten die sogenannten Sinus-Milieus. Auf zwei Achsen werden der soziale/ökonomische Status und die grundlegende Werteorientierung auf einer Skala von traditionell/konservativ bis modern/fortschrittlich abgebildet. Schließlich werden die unterschiedlichen Gruppen mit gleichen Einstellungsmustern und sozialen Lagen zusammengefasst und in einer Art „Kartoffelgrafik“ dargestellt.
Wie aus unterschiedlichen Studien, die mithilfe der Sinus-Milieus erstellt wurden, ersichtlich ist, lässt sich die AfD-Wählerschaft größtenteils in die Ordnungsgruppen „traditionelles Milieu“, prekäres Milieu“ und „bürgerliche Mitte“ einordnen. Die meisten AfD-Wähler der Bundestagswahl 2017 waren auf der ökonomischen Achse recht niedrig angesiedelt. Auf der Achse der Werteorientierung sind die AfD-Wähler verstärkt im traditionellen Lager verortet.
Die traditionelle Verankerung der AfD-Wählerschaft bildet das stärkste Unterscheidungskriterium zu den anderen Parteien und ist zugleich das verbindende Element zwischen den unterschiedlichen Wählermilieus der AfD. Was den wirtschaftlichen Status betrifft, so differenziert sich die AfD-Anhängerschaft zwischen jenen, die ein höheres Haushaltseinkommen aufweisen und jenen, die die untere Mittelschicht oder das Prekariat repräsentieren.
Dennoch zeigt sich hier auf der subjektiven Wahrnehmungsebene ein recht ähnliches Bild: Die Mehrheit der AfD-Wähler schätzt ihre eigene wirtschaftliche Lage deutlich pessimistischer ein als die Anhänger der restlichen Parteien. Verlust- und Abstiegssorgen bestimmen meist ihre individuellen Zukunftsprognosen.
Das prekäre Milieu
Insbesondere das prekäre Milieu war bei den bisherigen Wahlerfolgen der AfD der entscheidende Faktor. Es zeichnet sich aus durch den grundsätzlichen Wunsch nach sozialer und gesellschaftlicher Teilhabe und dem Anschluss an den Lebensstandard der Mitte. Das Leben der Prekären ist von alltäglichen organisatorischen Herausforderungen geprägt: Sei es die Kinderbetreuung, die Versorgung von Familienmitgliedern, Amtsbürokratie oder das finanzielle Überleben von einem Monat in den nächsten. Große Sprünge im Sinne materieller Selbstverwirklichungen sind ihnen kaum möglich. Ihre Alltagsmeisterung fußt häufig auf familiäre Solidarität. Sie haben zwar Erwartungen an den Staat und an die Politik, die jedoch über die letzten Jahre zunehmend enttäuscht wurden.
Wenig überraschend: Vor allem die abgehängten Gegenden und die Wahlkreise mit einem großen prekären Milieu weisen einen überdurchschnittlich hohen Nichtwähleranteil auf, der der AfD bei den letzten Wahlen immer wieder einen außerordentlichen Mobilisierungsschub verpasste. Dadurch konnten Teile dieses Milieus bei der letzten Bundestagswahl offensichtlich repolitisiert werden. Die AfD bot einen Kanal, durch den der Protest formuliert werden konnte. Gerade dadurch unterschied sie sich von allen anderen Parteien und versammelte einen wachsenden Wählerblock hinter sich. Dieser Wählerblock ist mittlerweile gefestigt und die Umfragen der letzten vier Jahre zeigen, dass er sich auch stabil für die Partei halten wird.
Bürgerliche Mitte und Traditionelle
Interessanter wird es schon bei der Beobachtung der sozialen Milieus, in denen die AfD zwar keine dominante Rolle ausfüllt, aber in denen sie trotzdem starke Potentiale hat. In der bürgerlichen Mitte als auch im traditionellen Milieu konnte die Partei bei der Bundestagswahl überdurchschnittlich hohe Wähleranteile im Vergleich zu ihrem Wahlergebnis mobilisieren.
Beide Milieus zeichnen sich durch ein hohes Bedürfnis nach Sicherheit, Verlässlichkeit und Harmonie aus. Einkommenstechnisch lassen sie sich nach klassischem Verständnis der Mittelschicht zuordnen: Das Geld reicht zum Leben und für kleinere Anschaffungen und gelegentlichen Urlaub. Die Finanzierung eines Eigenheimes oder eines Zweitwagens hingegen sind schon sehr herausfordernde Projekte, die nur mit größter Mühe und Entbehrung gestemmt werden können. Der bürgerlichen Mitte sind der Erhalt der gesellschaftlichen Ordnung und der eigene persönliche Statuserhalt wichtig. Während das traditionelle Milieu eher von Bescheidenheit und Genügsamkeit geprägt ist, strebt die bürgerliche Mitte durchaus nach Wohlstand und materieller Selbstverwirklichung. So spielt in der bürgerlichen Mitte auch das weltlich-rationale Denken eine größere Rolle, während die traditionellen Milieus eine höhere Religiosität aufweisen.
Auch in anderen Ansätzen der soziologischen Milieustrukturierung zeigen sich für die AfD weitgehend identische Bilder. In einer neuerlichen Studie der Bertelsmann-Stiftung zu den Einstellungsmustern der unterschiedlichen Wertemilieus in der Corona-Krise zeigt sich ein ähnliches Bild wie auch bei den Sinus-Milieus. Hier wird die AfD-Wählerschaft mit dem Wertemilieu der sogenannten „Individualistischen Materialisten“ charakterisiert. Sie treibt der Impuls der persönlichen Besitzstandswahrung und die Sorge vor dem ökonomischen Verlust und dem sozialen Abstieg. Sie sind gegenüber Modernisierungstendenzen und radikalen gesellschaftlichen Wandlungsprozessen deutlich distanzierter und skeptischer eingestellt.
Das typische AfD-Milieu lässt sich wie folgt skizzieren: Vollzeitbeschäftigung im produzierenden Gewerbe, Selbstständigkeit im Handwerk, vorstädtische bis ländliche Wohnumgebung, mittleres Alter zwischen 33 – 50 Jahren, männlich. Sie sehen ihren sozialen und materiellen Status als Ergebnis harter Arbeit und großer Entbehrungen an, den es zu verteidigen gilt.
Neben den „individualistischen Materialisten“ kann die AfD auch auf starke Unterstützung durch die „unbeschwerten Beziehungsmenschen“ zurückgreifen. Auch hier überwiegt das Misstrauen gegenüber externen und unvorhergesehenen Einflüssen auf die eigene Lebenswelt. Auch dieses Milieu ist hauptsächlich mit der Organisation des eigenen Alltags beschäftigt und versucht sich bestmöglich mit der eigenen Lebenssituation zu arrangieren. Nachbarschaftliche und familiäre Beziehungen spielen im Milieu der „unbeschwerten Beziehungsmenschen“ eine größere Rolle als in den anderen Milieus. Sie verlassen sich auf das, was in ihrem Umfeld Struktur und Orientierung gibt.
Der Wählerwettbewerb mit der CDU
Betrachtet man nur die Milieus, die von den Parteien erreicht werden können (die Nichtwähler außen vor gelassen), so lässt sich feststellen, dass die AfD in der CDU ihren schärfsten Konkurrenten hat, wenn es darum geht, im traditionell-bürgerlichen, veränderungsskeptischen Milieu mit mittlerem Einkommen weiter Fuß zu fassen. Sicherheitsorientierung, Institutionsvertrauen, Kontinuität im Leben sind nur einige der wichtigsten individuellen Wertemaßstäbe, die Menschen in großer Dimension an die CDU binden (bzw. gebunden haben) und in kleinerer Dimension nun zur AfD treiben.
Parteipräferenzabfragen zeigen, dass die CDU-Wählerschaft sich selbst zwar auf den gleichen Werteachsen wie viele AfD-Wähler verortet, gleichwohl aber eine große Ablehnung gegenüber der AfD hat und sich kaum vorstellen könnte, alternativ diese Partei zu wählen.
Das Verlustpotential der CDU an die AfD ist mit nur einem Prozent am geringsten, während es von der CDU zu den Grünen mit über sechs Prozent am höchsten ist und das, obwohl die Grünen einen deutlich progressiveren Wertekanon propagieren, als ein Großteil der CDU-Wähler tatsächlich vertritt.
Die Gründe, warum die AfD die aktuelle CDU-Wählerschaft nur schwerlich einfangen kann sind vielfältig. Die Partei stößt an dieser Mobilisierungsfront an eine gläserne Decke, in der sich aktuell nirgendwo ein größerer Riss auftut. Die einen in der AfD sprechen von einer Selbstradikalisierungsschleife innerhalb der AfD und glauben, dass durch die zunehmende mediale und gesellschaftliche Ausgrenzung viele Unionswähler abgeschreckt würden.
Die anderen glauben, dass das bestehende CDU-Potential für die AfD bereits ausgeschöpft sei und man sich demnach stärker auf die Ausweitung des Potentials in den ohnehin starken Milieus der Nichtwähler und sozial Abgehängten fokussieren sollte. In der Gegenüberstellung von Ost und West bietet sich hier nochmals ein anderes Bild, was wir jedoch in einem späteren Beitrag intensiver behandeln wollen.
Man kann mit Sicherheit keine abschließende Erklärung dafür nennen, warum trotz soziologischer, demographischer und psychographischer Überschneidungen die CDU-Wähler die AfD als alternative Parteipräferenz ausschließen. Dennoch wollen wir einige Thesen dazu anbieten.
Die meisten CDU-Wähler haben offensichtlich gar keine Sensorik für die gesellschaftlichen Brüche der letzten Jahre oder sehen in ihnen zumindest kein schwerwiegendes Problem. Interessant ist vor dem Hintergrund auch, was der Leiter der Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung, 2014 in einem internen CDU-Strategiepapier schrieb: Demnach sei ein Großteil der Wählerschaft dem Modernisierungskurs Merkels gefolgt und die Verluste im traditionsorientierten und religiösen Milieu konnten durch Zugewinne in der progressiven Mitte wieder ausgeglichen werden.
In der Mehrheit ist die CDU-Wählerschaft zusammen mit ihrer Partei den Weg in die linke Mitte gegangen. Das zeigen auch die recht hohen Alternativwahlpräferenzen, bei denen insbesondere die Grünen von der Union große Potentiale abziehen könnten, also jene Partei, die in Hinblick auf ihr Werteprofil wohl den stärksten Antagonismus zur AfD darstellt. Jeweils 22% der CDU-Wähler können sich vorstellen, alternativ auch die Grünen oder die SPD zu wählen. Die AfD kommt hierbei lediglich auf einen Wert von 2%. Und auch ein Blick auf die aktuellen Umfragen zeigt, dass der größte Wähleraustausch derzeit zwischen der CDU und den Grünen abläuft. Für die AfD dürfte es schwierig bis unmöglich sein, aus diesem Fluss Wählerströme abzuleiten. Es gibt zwar unterschiedliche Daten zu dem Wähleraustausch zwischen der Union und den Grünen, die in Teilen stark voneinander abweichen. Dies mögen unterschiedliche Umfragen oder Studien sein. In der Summe zeigt sich jedoch, dass die Grünen einen immer größeren Wählerblock aus dem Unions- Umfeld ihrem eigenen Wählerpotential zuschlagen konnten.
Die AfD-Wählerschaft kann hingegen als wertkonservativ beschrieben werden. Sie nimmt einen moralischen Verfall wahr und ist stärker von subjektiven Zukunftssorgen geprägt, die tief in der Mentalstruktur verankert sind. Das bedeutet: Auch wenn CDU und AfD ein politisch ähnliches Angebot haben, welches sich auf die klassisch konservativen Säulen Sicherheit und Stabilität stützt, unterscheiden sich die Wahrnehmungshorizonte dieser Konservatismusansätze dennoch völlig. Die CDU liefert ein niederschwelliges Kontinuitätsversprechen in ihrem politischen Handeln. Alles wird so bleiben wie es ist, die Lage wird sich nicht verändern, wir führen euch sicher und verantwortungsbewusst durch die Krisen dieser Zeit – alles wird gut. Dieser fast schon paternalistische Ansatz wird von vielen CDU-Wählern vermutlich als eine Art mentale Entlastung wahrgenommen, die sie vor möglichen kognitiven Dissonanzen und der Beschäftigung mit Alltagswidersprüchen schützt. Der durchschnittliche strukturkonservative CDU-Wähler müsste einige Schwellen und Hürden überwinden, die ihm neue Wahrnehmungshorizonte eröffnen. Dies ist jedoch ein langfristiger Prozess, der nicht allein mit einer Kampagne oder inhaltlicher Aufklärung abgeschlossen werden kann. Vor der politischen Veränderung müssen die emotionalen Weichen gestellt werden.
Die AfD bleibt in der Wählerwahrnehmung eine Protest- und Oppositionspartei. Im Vergleich zur um Kontinuität und Stabilität bemühten CDU ist sie der totale Bruch mit der bestehenden Parteienlandschaft. Dadurch markiert sie aber auch den Bruch mit einem wichtigen Teil des bestehenden institutionellen Ordnungsgefüges, was logischerweise viele Strukturkonservative verunsichert. Der Wahlentscheidungsprozess für die AfD erfordert psychologisch betrachtet eine intensive Selbstreflexion und eine Auseinandersetzung mit der Lage, in der man sich befindet; im zweiten Schritt dann den Mut, aus den gewonnenen Erkenntnissen den Entschluss zu fassen, „alternativ“ zu wählen. Dieser Prozess ist vor allem in Milieus der bürgerlichen Mitte und dem traditionellen Lager mit Zweifeln, Skepsis, Abwägungen und Bedenken verbunden. Insofern kann die AfD nur für jene ihr Sicherheitsversprechen authentisch vermitteln, die nicht nur rational, sondern auch subjektiv-emotional mit der CDU abgeschlossen haben und sich neuen politischen Horizonten öffnen.
Egal welcher inhaltliche Punkt abgefragt wird: Die CDU führt in den meisten klassisch konservativen Themenfeldern hinsichtlich der ihr durch die Wählerschaft zugeschriebenen Kompetenzwerte. Dem mögen AfD-affine Wähler und Unterstützer grundsätzlich widersprechen, doch es geht dabei um subjektive Wahrnehmungen und nicht um harte Fakten oder um die tatsächliche Bilanz der CDU-Regierungspolitik.
Der AfD fehlt es also noch an einer klaren und konsistenten programmatischen Linie, die ihr auch über die Migrationspolitik hinaus hohe Kompetenzen zuschreibt. Dies wird eine der entscheidenden Zukunftsherausforderungen für die AfD sein: Wie kann sie ihr Protestpotential in ein stabiles inhaltliches Profil transformieren, ohne ihre wesentlichen Kernanliegen und ihren oppositionellen Habitus zu verlieren?
CDU liefert ein kohärentes Bild in der Fremd- und Eigenzuschreibung.
Keine Partei polarisiert so stark zwischen den gesellschaftlichen Gruppen wie die AfD. Sie ist die Partei mit den niedrigsten Potentialwerten von gerade einmal knapp 4% über ihrer Stammwählerschaft von 12%. Über 70% schließen eine Wahl der AfD kategorisch aus. Bei der CDU sind dies gerademal 25%. Die AfD ist also die Partei, die entweder gehasst oder geliebt wird. Dies zeigt sich auch in der Eigenwahrnehmung ihrer Wählerschaft und ihrer externen Zuschreibung. Während die eigenen Unterstützer die Partei mit ähnlichen Attributen verknüpfen, wie dies die CDU-Wähler bei der CDU tun, ist die Außenzuschreibung mehrheitlich negativ konnotiert. Bei der CDU und auch den meisten anderen Parteien deckt sich die Selbstzuschreibung meist mit der Fremdzuschreibung und unterscheidet sich lediglich in der Intensität. Das zeigt, dass die CDU keine große Diskrepanz aufweist zwischen ihrem kommunizierten Werteprofil und der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung.
Die CDU wird überwiegend als die Partei gesehen, als die sie sich auch darstellen möchte und kann somit auf wesentliche breitere Mobilisierungsspektren im sozialdemokratischen oder mitte-links Milieu zugreifen. Bei der AfD ist dies umgekehrt, was jedoch auch in der Natur einer Protest- und Oppositionspartei liegt. Hierfür kann man zwei Umgangsstrategien entwickeln. Entweder versucht man die emotionalen Negativattribute durch einen völlig neuen Habitus und ein neues Image abzubauen oder versucht die wahrgenommenen Positivattribute in der eigenen Anhängerschaft in eine authentische Erzählung zu verpacken und dieses Potential langfristig als Stammwählerschaft zu binden mit weiteren Wachstumsmöglichkeiten innerhalb des entsprechenden Milieus. Da emotionale Bewusstseinszustände nur schwer veränderbar sind, sollte man sich stets gut überlegen, ob gerade innerhalb einer zeitlich befristeten Wahlkampagne emotional und subjektiv verfestigte Einstellungsmuster so einfach geändert werden können und der Fokus nicht eher auf die möglichst breite Mobilisierung innerhalb des eigenen Milieus gerichtet sein sollte, welches sich auch mit dem eigenen Parteiselbstbild vollumfänglich identifizieren kann.
Fazit:
Das Forschungsfeld der politischen Wertemilieus liefert noch viel Stoff für die weiterführende Analyse der eigenen Wählergruppen. Des Weiteren könnten mit aller Gründlichkeit die Faktoren Standort, Alter, Geschlecht und Erwerb betrachtet werden, um so fundiertere Rückschlüsse auf die langfristige Strategie der AfD und die Planung und Organisation ihrer Wahlkampagnen ziehen zu können. Es bleibt zu hoffen, dass auch die Desiderius-Erasmus-Stiftung im kommenden Jahr hier einen Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeit setzt und die Studienlage über die Vermessung konservativer und rechter Wählerschaften in Deutschland und Europa nicht mehr länger nur linken Stiftungen obliegt. Die wichtigste Herausforderung lautet jetzt jedoch die Strategiedebatten innerhalb der Partei zu versachlichen und von den Chiffren „Höcke“ und „Meuthen“ endlich zu trennen und dabei auf die Fakten zu schauen. Wir wollen mit diesem Beitrag eine kleine Inspiration liefern, wie es auch funktionieren kann.