Die Junge Alternative zeigt,
wie Wahlkampf gehen kann.

Der Feldzug Blog versteht sich als kritisch-konstruktive Plattform, über die wir Kommunikation, Politmarketing, Strategien und Taktiken rechter, konservativer und nonkonformer Zusammenhänge analysieren. Meist entsteht der höchste Erkenntnisgewinn durch die kritische Brille. Doch trotz aller Widrigkeiten, die die AfD-Bundespartei gerade durchläuft, gibt es auch Hoffnungslichter, die vor allem in der Jugendorganisation der Jungen Alternative (JA) aufscheinen.

Wir leben in einer Zeit, in der Kommunikationskanäle immer diverser werden und zugleich die Art der Zielgruppenansprache und Plattformnutzung zwischen den alten und jungen Altersgruppen zunehmend auseinandergehen. Wo früher Fernsehen, Zeitungen, und Plakate als Medien immer ein recht breites Gesamtpublikum eingeschlossen haben, differenzieren sich heute die Kanäle aus und müssen dementsprechend auch ihre Ansprache, Tonalität und Informationsvermittlung zielgerichtet anpassen. Neue Formate entstehen und die Zielgruppen werden spezifischer, konkreter und anspruchsvoller.

Während die diesjährige Bundestagswahlkampagne der AfD noch nicht wirklich starke Akzente setzen konnte und eher ein „Dienst nach Vorschrift“-Programm fährt, entwickeln sich in der Peripherie der Partei neue interessante Kampagnenansätze und Ideen. Vor allem die Junge Alternative (JA) zeigt, dass in der Ansprache junger Zielgruppen ganz neue Qualitäts- und Kreativitätsmaßstäbe gesetzt werden können.

Unter dem Motto „#Freiheitforfuture“ (eine Persiflage auf die bekannte Umweltbewegung „Fridaysforfuture“) sorgt die Junge Alternative seit einigen Wochen im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt Berlin mit Plakaten und Stickern für Aufsehen. Ohne Partei- oder JA-Logo sollen zugespitzte, humorvolle und provokative Slogans auf die Kernthemen der AfD aufmerksam machen. Das Ganze funktioniert jedoch ohne plakative Appelle oder generische Claims, die einem sonst auf Printmedien entgegenlächeln, sondern mit Ironie und einem imaginierten Sprecher, der die angesprochenen Personen mit Fragestellungen konfrontiert. Die Slogans und halbironischen Fragen sind dabei jedoch nicht zu verkopft und „künstlerisch“, sodass man erst nach etlichen überlagerten Metaebenen zur Kernbotschaft durchstoßen kann. Es sind intelligente Zuspitzungen, die die Lebenswelten junger Menschen sofort nahbar und authentisch einfangen.

Guerilla Wahlkampf der mit geringen Kostenaufwand Akzente im öffentlichen Raum setzt

Mystery Marketing ohne direkten Parteibezug

Die Kampagne arbeitet mit klassischen Guerilla-Marketingmethoden im öffentlichen Raum, die sich in einem stufenweisen Spannungsbogen in mehreren Plakatwellen aufbauen und schließlich mit dem tatsächlichen Verweis auf die Macher und den politischen Hintergrund über die Ziele und Aussagen aufklären. Das ist eine intelligente Marketingmethode, mit der man lange die Aufmerksamkeit der Rezipienten halten kann und nach der „Auflösung“ ein mögliches Überraschungsmoment erzeugt, der sich psychologisch und kognitiv nachhaltiger einbrennt als die konventionelle Werbeaufforderung oder der plakative Verweis auf ein beliebiges politisches Angebot.

Zugleich ist Mystery Marketing jedoch auch eine der aufwändigsten und riskantesten Werbedisziplinen. Einerseits gilt es, den Spannungsbogen für die Zielgruppe in einem angemessenen Zeitfenster zu halten, ohne das auflösende Momentum zu verpassen, was sämtliche vorherige Maßnahmen verpuffen lassen würde. Ziel des Mystery Marketings ist es nämlich, der Fokusgruppe neue Perspektiven und Dimensionen des eigenen Angebots zu eröffnen, die sie in der klassischen Verbindung mit Namen und Logo der politischen oder kommerziellen Marke nicht sehen könnten. Dadurch können möglicherweise kognitive Barrieren abgebaut und mit der richtigen Verknüpfung aus Spannungsbogen und abschließender Aufklärungsbotschaft auch neue Einstellungen, Stimmungen und Verhaltensmuster konstruiert werden.

Wichtig ist es beim Rückgriff auf derartige Marketingmaßnahmen, geeignete Mess- und Analyseinstrumente zu finden, um zu überprüfen, ob der gewünschte Überraschungseffekt auch bei der Zielgruppe einsetzt.

Dafür setzt die JA sogenannte QR-Codes auf ihre Printmedien, die schließlich auf die Netzseite und Social-Media-Kanäle weiterleiten. Wie spezifisch und intensiv diese Analysen laufen, können wir nicht beurteilen. Dennoch zeigt es, dass sich die JA in der gesamtlogistischen Planung durchaus Gedanken gemacht hat und alle logistischen und organisatorischen Parameter einer guten Kampagne (Zeitplan- und Verlauf, Zielbestimmung, Zielgruppendefinition, Plattformauswahl, Contentstrategie, Analyse und Optimierung) sinnvoll miteinander verknüpft.

Diskrepanz schaffen zwischen Außenzuschreibung und Selbstdarstellung

Wie in jeder öffentlichen Kommunikation und in jedem Wahlkampf steht die AfD vor der riesigen Herausforderung, Hemmnisse und emotionale Barrieren abzubauen. Wie schafft man es, ein alternatives Bild entgegen der beständigen Medienhetze und der Ausgrenzung zu zeichnen, dass Freundlichkeit, Optimismus, Zuversicht und Witz ausstrahlt und dabei auch die nötige Authentizität behält? Die JA zeigt mit ihrem Kampagnenansatz #Freiheitforfuture, wie man zugespitzte und intelligente politische Provokationen setzen kann, ohne dabei unmittelbare Empörung und Ablehnung hervorzurufen. Es geht darum, den Graben zwischen dem vorurteilsbeladenen Bild und der Selbstpositionierung zu vertiefen und somit der Zielgruppe neue Blickwinkel und Betrachtungsdimensionen zu eröffnen, die durch die medialen Hetzfilter verschlossen bleiben. Das ist mit dieser Kampagne gelungen:  Farbfreundlichkeit, charismatische Gesichter und insgesamt ein ästhetisch hochwertiges Erscheinungsbild.

Slogans mit dialogischer Ansprache und an das jugendliche Zielpublikum adressiert.

Man gewinnt einen jungen, frischen und dynamischen Eindruck, der jedoch nicht gekünstelt oder völlig unbeholfen daherkommt. Das zeigt: Man kann auch als rechtskonservative Jugendbewegung politische Botschaften provokativ und angriffslustig aufladen, ohne sich dabei freiwillig immer tiefer in ein politisches Ghetto zu begeben und gesellschaftlich zu isolieren.

Visualität der Kampagne

Das Design der Print- und Digitalmedien ist perfekt auf eine junge Zielgruppe zugeschnitten. Es werden bunte aber dennoch klare Farbverläufe und ein minimalistisches Layout mit hervorstechender großer und dicker Typographie verwendet, um an das urbane, Instagram-affine und junge Publikum anzuknüpfen. Es wird ein auffallender Kontrast geschaffen, indem der eher freundlichen Farbtonalität ironische und schwarzhumoristischen Slogans entgegengestellt werden. Diese lockere und humorvolle Art transportiert die Metabotschaft „Wir sind nicht so, wie du denkst.“ klar und deutlich zum Ausdruck. Die dabei verwendeten lila und pinken Farbtöne würde man nicht mit der AfD in Verbindung bringen, weshalb die Botschaften auch mehr Leute erreichen. Zu schrill und abschreckend sind die Töne ebenfalls nicht.

Die Videoserie der Kampagne zeigt junge und attraktive Menschen, die in einem lockeren Interviewformat über ihre Motive, ihr Leben und ihr politisches Engagement reden. Die Videos kommen ohne steifes und statisches Skript aus, es entsteht eher der Eindruck, als würden die Protagonisten mit dem Zuschauer locker plaudern, was von der JA das Bild der „normalen Jugendlichen wie Du und Ich“ zeichnet und authentische Identifikationsflächen anbietet. Die Videos folgen nicht dem Prinzip eines klassischen Frage-Antwort-Schemas wie man es aus sterilen, reinen PR-Produktionen kennt. Der Zuschauer hat das Gefühl, einem realen Gespräch zwischen dem Interviewten und dem imaginären Fragensteller lauschen zu können.

Fazit:

Die JA zeigt mit ihrer #Freiheitforfuture-Kampagne Witz, Kreativität und ein kluges Verständnis von zielgruppenspezifischem Politmarketing. Hier wachsen junge Talente heran, die mittelfristig eine neue Generation an Mandatsträgern, Campaignern, Vordenkern und Führungskräften in der AfD bilden werden. Die Mutterpartei macht es der eigenen Jugend nicht immer besonders leicht und man gewinnt häufig den Eindruck, dass viele ältere Semester in der AfD die JA eher als Belastung oder lediglich als Wahlkampfhilfstruppe sehen. Doch die #Freiheitforfuture-Kampagne ist ein Beweis dafür, dass der JA deutlich mehr zugetraut werden sollte.

Die Slogans operieren immer nach dem gleichen Muster mit einer offenen Fragestellung, die die Zielgruppe schließlich in ein eigenes Gedankenexperiment drängt. Gleichzeitig bleiben die thematischen Bezüge und Assoziationsketten simpel und verständlich.

Die JA kann zur Talentschmiede und zum politischen Innovationslabor werden, in dem auch experimentelle und nonkonventionelle Kampagnen entwickelt und getestet werden. Mittelfristig wird die AfD in der kommenden Planung von politischen Werbekampagnen und auch der personellen Aufstellung ihres Mandats- und Führungspersonals nicht mehr an der JA vorbeikommen, sofern sie den Willen hat, sich selbst zu erneuern und beständig zu professionalisieren.

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