Kampagnenanalyse
"Deutschland. Aber normal"

Ästhetischer, professioneller, cleaner und moderner. Aber auch harmloser, defensiver und entwaffnender – Das sind die Eindrücke, die man von der diesjährigen AfD- Bundestagswahlkampagne gewinnen kann. Wir haben uns mit den zentralen visuellen und sprachlichen Kampagnenbausteinen auseinandergesetzt und geben einen Überblick über Werbewirkungen, Framing, Narrationen und Bildsprache. Wir schauen auf die Potentiale, thematisieren kritisches und verknüpfen dies mit praktischen Handlungsoptionen.

Unter dem Slogan „Deutschland-Aber normal“ geht die AfD in das Superwahljahr 2021. Vorgestellt auf dem Programmparteitag in Dresden im April dieses Jahres können jetzt auch die ersten visuellen und inhaltlichen Ergebnisse der Kampagne besichtigt werden. Trotz der angespannten innerparteilichen Lage durch Machtkämpfe und Personaldebatten gab es zumindest bei der Vorstellung der Kampagne eine breite positive Resonanz in allen Lagern der Partei. Der Slogan „Deutschland. Aber normal“ hat einen Nerv getroffen und fügt sich gut in das subjektive Empfinden einer entrückten Welt, in der die „Normalität“ schon fast als revolutionärer Gegenentwurf betrachtet werden kann. Wir analysieren die visuellen Eindrücke und werfen am Ende noch einen allgemeinen Blick auf den Slogan und seine narrativen Potentiale.

Mit dem Start der Kampagne wurde auf fast allen offiziellen Kommunikationskanälen der Partei auch das Corporate Design umfangreich angepasst. Allgemein lässt sich feststellen, dass die Partei möglichst adäquat zu ihrem Hauptclaim ein freundlicheres, moderneres und seriöseres – kurz: ein „normales“ visuelles Erscheinungsbild zum Ausdruck bringen möchte. Die früheren Banner und Kacheln im plakativen, zugespitzten und klassisch „populistischen“ Stil sind einer harmonischen und mit modernen Designelementen experimentierenden Gestaltung gewichen. Fotomontagen aus der früheren CI wurden ersetzt durch Stockfotos von idyllischen und sonnigen Naturumgebungen. Die früheren Overlays mit bläulichen Farbverläufen wurden gegen eine auf saubere Fotos ausgerichtete Erscheinung ausgetauscht.

Insgesamt macht die Kampagne durch die großzügige Verwendung der weißen Freiflächen im Hintergrund und lichtintensiven Stockphotos einen helleren Eindruck als frühere Designs, die zuweilen mit sehr dunklen Blautönen mit starken Kontrastierungselementen und mit knalligen Rottönen operiert haben. Die Helligkeits- und Lichtkonfigurationen sind dabei gut mit dem Hintergrund sowie mit Bild und Schrift aufeinander abgestimmt und lassen das Design nicht zu grell oder überbelichtet erscheinen. Das Gesamtpaket dieser Designelemente macht demnach einen beruhigenden Eindruck, der vor allem in den Digital- und Webformaten modern, ästhetisch und professionell hervorsticht.

Minimalistischer und cleaner mit freundlicher, harmonischer und idyllischer Bildsprache.


Etwas störend und unharmonisch wirken die Schwarz-Rot-Goldenen Farbverläufe, in denen vor allem das Schwarz in einem zu starken Kontrast erscheint. Der Farbverlauf erinnert auf den ersten Blick auch leider nicht an die Nationalfarben als vielmehr an die Anzeige einer Wärmebildkamera oder wie ein visuelles Element aus Flyern für Heizungsthermostate oder wie die Energieeffizienz-Darstellungen auf elektronischen Geräten.

Gewöhnungsbedürftiger Schwarz-Rot-Gold Farbverlauf.


Die Farbkombination „Schwarz-Rot-Gold“ in der Verlaufsform wirkt unästhetisch und als Störfaktor im Bild und lässt die ungewollten Mischfarben Braun im Übergang Schwarz zu Rot und Orange im Übergang Rot zu Gelb entstehen. Hier wäre man möglicherweise mit einer schärferen Trennung der Nationalfarben besser gefahren. Einiges an experimenteller Inspiration kann man sich hier bspw. von der CDU abschauen, die zeitweise mit Polygonmustern in den Nationalfarben gearbeitet hat und dabei aber auch stets auf klare Farben und Trennungen bedacht war. Farblich sanfte Übergänge in unterschiedlichen Kombinationen auf stark voneinander abweichenden Farbpaletten wirken hier deplatziert und unruhig, wodurch die Nationalflagge erst auf den zweiten Blick als solche erkennbar ist. Das Designelement ist vielmehr als schmückendes Accessoire eingearbeitet und kann in der richtigen farblichen Konfiguration durchaus auch einen ästhetischen Mehrwert haben. In den bisherigen Designs wirkt es jedoch von der Umsetzung her nicht passend.

Grundsätzlich ist man auch bei den restlichen visuellen Wirkelementen von klaren Farben auf Farbverläufe umgestiegen. Die farblichen Schriftunterlegungen gleiten nun von einem hellen Blauton in ein dunkleres Blau über, welches schon häufiger verwendet wurde. Während der Übergang bei der Nationalfarbenkombination zu schwach und sanft gestaltet wurde, wirkt es an dieser Stelle jedoch zu hart und kräftig im Übergang. Grundsätzlich wirken Farbverläufe in der gleichen Palette  harmonischer als aus unterschiedlichen Paletten, die unschöne Mischungen ergeben, wie wir im Beispiel des Nationalflaggendesigns gesehen haben.

Auch typographisch setzt die Partei auf eine dezentere Tonalität, die mit einer guten Dynamik von Kursivsetzungen arbeitet. Das Logoelement des Hauptslogans der Kampagne sowie Printerzeugnisse wie Flugblätter und Broschüren arbeiten mit einer schönen Serifenschrift, die vom Schriftschnitt weder zu fett noch zu dünn, sondern genau passend erscheint. Die Eleganz der Serifenschrift in Verbindung mit einer dynamischen, jungen und modernen Kursivschrift harmonieren überraschend gut miteinander.

Weg von Fotomontagen hin zu klaren Bildern
Weg von Fotomontagen hin zu klaren Bildern


Layout und visuelle Hierarchie

Gewöhnungsbedürftig erscheint die generelle räumliche Anordnung der unterschiedlichen Designelemente. Statt klarer Vollbildhintergründe, wo Logo und Slogan klassisch direkt in das Bild integriert werden, arbeitet man etwas experimenteller und spielerischer mit scharfen Trennungen und einem großzügigen weißen Rahmen, der alle Elemente umschließt. Dies soll das Design ruhiger, geerdeter und seriöser erscheinen lassen. In einigen Erzeugnissen erscheinen zumindest die Größenaufteilungen jedoch nicht ganz optimal angepasst zu sein. Während der inhaltliche Hauptslogan der Grafiken deutlich dezenter gehalten wurde als in früheren Designs, so sind die Wiedererkennungsmerkmale in Form des Kampagnenslogans und des Logos teilweise größer gehalten als die eigentliche Botschaft der jeweiligen Grafik. Wer als Grafiker bereits Kundenaufträge bearbeitet hat, kennt die klassische Fehlvorstellung, dass Logos immer besonders fett und prominent im Gesamtdesign auftauchen müssen. Gleichzeitig muss jedoch auch die inhaltliche Botschaft in der entsprechenden Grafik hervorgehoben werden. Ergebnis sind oft völlig zugekleisterte Designs, denen „visuelle Luft“ für das „atmende Auge“ fehlt.

Designentscheidungen werden danach getroffen, wie aus dem Blickwinkel des Betrachters am besten eine visuelle Hierarchie entstehen kann, die letztendlich eine Gesamtstruktur im Design schafft. Es geht darum, den ersten Blickpunkt des Betrachters mit dem ersten Designelement einzufangen, dann den zweiten, dritten usw. Wenn die erwartbaren Proportionen in einigen Grafiken nicht aufeinander abgestimmt sind, springt das Auge zwischen den Elementen und das Design bekommt ein unruhiges und unübersichtliches Erscheinungsbild. In den meisten quadratisch angeordneten Kacheln der Social Media Präsenzen arbeitet man jedoch mit einer klassischen und die visuelle Hierarchie berücksichtigenden Anordnung – Logo rechts unten, Claim links unten und Kernbotschaft prominent herausgestochen mit freundlich erscheinenden und lichtstarken Hintergrund.

Die Wahlspots

Zwei Wahlwerbespots, die ebenfalls erstmals auf dem Programmparteitag in Dresden präsentiert wurden, liefern einen ersten videographischen Einstieg in die Kampagne. Der erste Hauptspot geht sogleich stärker auf den Kampagnenslogan ein und deutet die Hintergründe und die Metaerzählung des Wahlkampfmottos an. Allgemein passt der Spot gut in das Gesamtbild der Kampagne: Freundlich, entwaffnend, mit kleinen ironischen Prisen gewürzt. Die Illustration einer idyllischen – ganz „normalen“ Welt, die an emotionale Attribute wie Ruhe, Harmonie, Genügsamkeit und Bodenständigkeit anknüpft.

Das Video verzichtet auf allzu konkrete und vor allem polarisierende Aussagen. Die Botschaft ist eher ein bestimmtes Stimmungsbild und weniger 2-3 zentrale inhaltliche Kernforderungen. Dies ist ein Ansatz, der also stärker in den Bereich Emotional Design und atmosphärische Darstellung geht. Insgesamt schafft es der Spot, sich harmonisch in das Framing und die Visualität der Kampagne einzufügen. Doch die freundliche und harmonische Darstellung wirkt, wenn man das Gesamtprodukt betrachtet, an einigen Stellen vielleicht auch etwas zu steril und generisch. Phasenweise erinnert man sich an den damaligen CDU-Wahlspot zur Bundestagswahl 2017. Drohnenflüge und Stockvideomaterial sind heute schon fast zu Klassikerelementen der modernen Wahlwerbespots geworden. Dies mag dem Auge gefallen und liefert am Ende auch solide Videoergebnisse, doch es demonstriert auch eine gewisse Ideenlosigkeit und mangelnden kreativen Umsetzungswillen. Es fehlt die Unterscheidbarkeit, die Zuspitzung und Kontur, die auch die Oppositionsrolle der AfD unterstreichen sollte. Insgesamt bleibt das Video jedoch eine technisch saubere Arbeit, die die Haupteigenschaft der „Normalität“ als Kampagnenmotto in adäquate emotionale Stimmigkeit setzt.

Zweiter Spot

Während der erste Spot der Kampagne schon rein musikalisch mit einer ruhigen und freundlichen Hintergrundmusik arbeitet, hat die Partei als Ergänzung einen weiteren Spot produziert, der an die klassischen „90 Sekunden“-Formate erinnert, die oft zu Programmvorstellungen bei vergangenen Wahlkämpfen zum Einsatz kamen. In dem Spot wird auf schnelle Drums und kurze Schnitte mit flotten Typographie-Einblendungen gesetzt, die die ruhigen und flüssigen Schnittbilder und die sanfte Orchestermusik aus dem anderen Clip kontrastieren. Hier wird auf mehr inhaltliche Substanz mit verschiedenen Bildeinblendungen gesetzt, die auch Ausschnitte aus der Plakatreihe der Bundestagswahl zeigen.

Weiße Bildumrahmungen, wodurch das Gesamtvideo in einer Art „Kastenformat“ erscheint, sowie der saubere blaue Hintergrundverlauf erwecken einen modernen und seriösen Eindruck. Typographisch hätte man hier vielleicht auf eine serifenlose Schrift setzen können. Während die Serifenschrift in den sonstigen grafischen Elementen meist nur als Subslogan oder in Fließtexten zum Einsatz kommt, bekommt sie im Video durch die Einzelworteinblendungen Headlinecharakter, für den sich für die Optimierung der Lesbarkeit ein fetter Schriftschnitt mit klarer geometrischer Darstellung besser eignen würde.

Inhaltlich als auch visuell bleibt auch der zweite Clip ein solides Produkt mit etwas mehr Dynamik und Energie. Technisch orientiert es sich jedoch an erprobten Formaten aus älteren Kampagnen der AfD. Gewiss könnte man der AfD hier den Appell zu etwas mehr kreativem Mut und Experimentierfreude an Drehbuch, Format und Umsetzung mit auf den Weg geben. Die Videos liefern jedoch einen bodenständigen Gesamteindruck und am Ende gilt selbstverständlich „Never Change a running System“.

Slogan und Kampagnenerzählung

„Deutschland. Aber normal“ – Erster Eindruck: Langweiliges, generisches Motto ohne klare Kontur und Schärfe, die eine Oppositionspartei so dringend nötig hat. Zweiter Eindruck (nach der offiziellen Präsentation des Kampagnenfilmes und der ersten Plakatreihe): Der Claim wird von einer freundlichen und entwaffnenden Rhetorik und einem harmonischen Emotionsdesign doch recht kreativ ausgestaltet. Dritter Eindruck: Mit einer ausgereiften Themensetzung und dem richtigen Framing kann dieser Claim durchaus eine vernünftige konservative Standortbestimmung im 21. Jahrhundert sein, die sich als Gegenentwurf zu den entrückten linken „One-World“- Phantasien präsentieren.

Zu dem Kampagnenmotto kann man unterschiedliche Interpretationsansätze und Zugänge haben. Einerseits ist es schwer vorstellbar, über das Schlagwort „Normalität“ eine mobilisierende Wirkung zu entfalten, da die Assoziationen insbesondere bei der jungen Wählergruppe zwischen 20-35 Jahren dann doch zu spießig, altbacken und „bürgerlich“ wirken. Mit dem Motto entscheidet man sich gegen den rebellischen „konservativen Punk“ und für den genügsamen „Normalbürger“ ohne allzu große Träume und Visionen. Die AfD geht auf die Bürger zu, die nicht die Welt retten wollen, die über Gender Mainstreaming nur den Kopf schütteln und auf dem Dorffest nach dem dritten Bier einen politisch unkorrekten Witz reißen wollen, ohne gleich von irgendeinem Beauftragten für sexuelle oder ethnische Minderheiten ermahnt zu werden.

Der Mut-Appell von 2017 unter dem Titel „Trau dich Deutschland“ weicht jetzt einer klassisch konservativen Verortung und Verwurzelung in der „Normalität“. Die klare „populistische“ Tonalität, die vor vier Jahren im Bundestagswahlkampf angestimmt wurde, wird durch eine deutlich sanftmütigere Ansprache ersetzt, die den Rezipienten wenig fordert und weniger mit rhetorischen Appellebenen operiert. Es ist eine Stimmungskampagne, die Lebensgefühle und unmittelbare Realitäten aufgreift, anstatt mit direkten plakativen und frontalen Slogans und Kernbotschaften zu arbeiten. Auch in der Großplakatserie versucht man stets, auf eine authentische Bildsprache mit klarem Personenfokus zu setzen. Die jeweilige Person spricht direkt zum Betrachter des Plakats und eröffnet ihm so einen entsprechenden Identifikationsraum, in dem er sich selbst wiederfindet. Es wird vielmehr ein Nachdenken evoziert als ein Appell eingeimpft.

Vom Appell 2017 (links) hin zu einer dialogischen Einladung mit dem Rezipienten und Eröffnung eines Identifikationsraumes durch personenzentrierte Bildsprache.


Fazit

Man kann es im besten Sinne als kommunikativ und marketingtechnisch mutig bezeichnen, dass die AfD im Superwahljahr 2021 den Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag doch mit einer recht harmlosen Kampagne startet. Die Umsetzung ist im Vergleich zu früheren Kampagnen optisch und ästhetisch ansprechender, moderner und professioneller. Entscheidend wird am Ende die kommunikative Vermittlung des Kampagnenslogans sein. Wird man sich am Ende tatsächlich nur auf die defensive Position eines „normalisierenden“ Konservatismus zurückziehen, der sich in die Zeitmaschine Richtung 2005, 1980, 1970… setzt? Oder schafft man es, ein vitales und lebhaftes Bild der Verwurzelung, Verortung und Beständigkeit zu zeichnen, das den Wandel in der Gesellschaft anerkennt und dabei die grundlegenden Konstanten des Menschen von der Identität, Heimat, Familie und Kultur in die Zukunft überträgt. „Deutschland. Aber normal“ kann mit einer geschickten Framingstrategie und einem guten Zielgruppenverständnis zu einer mobilisierenden Kampagne für alle Deutschen werden, denen es noch „normal“ erscheint in ihrer eigenen Stadt als Deutsche in der Mehrheit zu sein.

„Normalität“ kann die Notbremse gegen das Mosaik aus vielfältigen destruktiven Kräften gegen unsere Identität sein. „Deutschland. Aber normal“ kann ein Gegenprogramm gegen die Abschaffer unserer Nation und unseres Volkes sein. Die Kampagne kann einen weltanschaulichen Standort beziehen, an dem die Selbstverständlichkeiten des Lebens von Mutter-Vater-Kind, von Nationalstaatsgrenzen und von der Basis der lokalen, kleinen mittelständischen Wirtschaft wieder an Substanz gewinnen.

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