Donald Trump und
die Patriot Party

Wie organisiert sich die republikanische Partei in der Post Trump Ära? Was geschieht mit den 74 Millionen Wählern, die im vergangenen November Donald Trump gewählt haben und damit auch der GOP ein historisches Ergebnis bescherten? Und welche Lehren können aus Parteineugründungen und ihren Erfolgsaussichten für Europa gezogen werden?

74 Millionen Wähler. Das zweitstärkste Wahlergebnis in der US-Geschichte und zugleich das stärkste in der Geschichte der republikanischen Partei. Die US-Wahl 2020 hat hinsichtlich der Mobilisierungskraft der Kandidaten Joe Biden (Demokraten) und Donald Trump (Republikaner) neue Akzente gesetzt. 2016 hat Trump mit seinem Wahlkampf gegen Hillary Clinton eine Bewegung losgetreten, deren Größe vom etablierten Polit- und Medienestablishment lange unterschätzt wurde. In bewusster Abgrenzung zum politischen Mainstream sowohl in Washington als auch in der eigenen republikanischen Partei, vermochte Trump sich als Anti-Establishment-Kandidat zu positionieren, der seine Wählerschaft genau verstanden hatte und wusste, wie er sie mit der richtigen Kampagnenführung abholen konnte.

Trump ist es zu verdanken, dass die GOP (Grand Old Party) sich über die vier Jahre seiner Präsidentschaft ein festes Profil als Partei des weißen Mittelstandes und der Arbeiter aufbauen konnte. Der Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hatte 2012 gegen Obama noch die Mehrheit der Amerikaner mit einem Haushaltseinkommen von über 100.000 Dollar jährlich hinter sich. Unter Trump ist dieses Verhältnis bei der Clinton- und Biden-Wahl vollständig umgekehrt. Die republikanische Partei ist auf der Suche nach ihrer Identität in der Post-Trump- Ära. Donald Trumps Präsidentschaft war geprägt von einer tiefen und bedingungslosen Loyalität und Unterstützung seiner Anhänger, während die Ablehnung seitens der demokratischen Anhänger parallel dafür umso stärker angewachsen ist. Es gäbe für die Republikaner gewiss eine lange Pro-Contra-Liste, was die weitere politische Einbindung von Trump betrifft.

Die Republikaner wissen genau, dass sie auf einer demographischen Zeitbombe sitzen und Trump möglicherweise auf viele Jahre der letzte Republikaner gewesen sein könnte, der das amerikanische Präsidentenamt inne hatte. Das zentrale Polarisierungsfeld zwischen Stadt und Land verschiebt sich demographisch zunehmend in Richtung der Städte. Die Wählerkarten der USA zeigen ein riesigen roten Teppich für Donald Trump mit einzelnen blauen Punkten für Joe Biden. Doch am Ende entscheidet auch in den USA die quantitative Wählermasse und nicht die Fläche die Wahl. Selbst in Bundesstaaten wie Arizona oder Nevada, in denen Trump zwar die Vororte und ländlichen Bereiche dominiert hat, aber Joe Biden eben die einwohnerstarken Großstädte wie Las Vegas oder Phoenix gewann. Das Phänomen der ethnischen Wahl lässt sich schließlich auch in den USA beobachten, und trotz der Zugewinne durch Donald Trump in den Schwarzen- und Latino-Communitys, wächst diese Wählergruppe und bleibt mehrheitlich an das demokratische Lager gebunden.

Die GOP findet also eine äußerst komplexe Gemengelage vor und muss sich ernsthafte Gedanken über künftige Machtoptionen machen. Bei den Politstrategen in der Partei dürfte derzeit keine Langweile aufkommen. Folgende Punkte müssen dabei bedacht werden:

  1. Die Wähler von Donald Trump waren einerseits traditionelle Republikaner, die – wenn auch widerwillig und zähneknirschend – am Ende doch für Trump votierten. Andererseits wissen sie auch um die Mobilisierungsstärke in Wählerschaften, die bisher als parteiungebunden und politisch desillusioniert galten und für die Trump das politische Scharnier darstellte.

  2. Die 74 Millionen Trump-Wähler sind jetzt ernüchtert. Das gesamte politische Geschehen und auch die Identität der republikanischen Partei waren die letzten vier Jahre vollständig auf Trump fokussiert. Im Windschatten dieser Präsidentschaft gab es nicht viele, die 2024 in die Fußstapfen von Donald Trump treten könnten. Namen wie der beliebte Fox-Moderator Tucker Carlson und der texanische Gouverneur Ted Cruz sind bereits ausgesprochen. Aber dies ist zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig ungewiss und volatil. Für die Republikaner geht es darum, diese für sie historische Wählermasse politisiert zu halten und im richtigen Moment zu mobilisieren. Insbesondere wenn die Biden-Präsidentschaft am Ende nicht einhalten kann, was sie verspricht, gibt es gute Chancen, 2024 wieder in einen ambitionierten Kampf zu ziehen. Joe Biden hat sich bereits in seinen ersten Amtstagen dem linken Druck in der eigenen Partei gebeugt und sein Kabinett wie ein Quartettspiel für linke Identitätspolitik besetzt. Dies wird gesellschaftliche Kämpfe und Polarisierungen weiter zuspitzen,dadurch die rechtspopulistischen Akteure womöglich stärken und es ihnen vereinfachen, ein exklusives Profil zu entwickeln. Fraglich ist nur, welche Rolle hierbei Donald Trump spielen wird.

Pläne für eine „Patriot Party“

Kurz nach dem Auszug Trumps aus dem Weißen Haus wurden bereits erste Gerüchte laut, dass dieser die Gründung einer neuen Partei unter dem Namen „Patriot Party“ plane. Für Trump dürfte ein derartiges politisches Experiment vermutlich weniger riskant sein als für die Republikaner. Darüber, wie viele Unterstützer und am Ende auch Wähler diese Partei bekommen würde, kann nur spekuliert werden. Fakt ist, dass Trump, wie bereits oben dargestellt, viel Zustimmung aus Milieus erhalten hat, die nicht zwangsläufig an die republikanische Partei gebunden sind. Ob dieses Reservoir ausreichend sein würde, um am Ende eine erneute Präsidentschaftskampagne erfolgreich zu führen, muss jedoch bezweifelt werden. Die gesamte Infrastruktur aus finanziellen Ressourcen, Wählerdatenbanken, Personal und Helfern, die eine republikanische Partei nach wie vor anzubieten hätte, würde wegbrechen und müsste  komplett neu aufgebaut werden.

Auch wenn es in den USA keine derart ausgeprägte Parteienkultur wie in Westeuropa gibt, bleibt die GOP dennoch stark verwurzelt. Das Manöver der Gründung einer „Patriot Party“ in Konkurrenz zur GOP würde am Ende eine klassische Aufspaltung des konservativen Lagers verursachen, welches sich gegenseitig kannibalisiert. Zugleich gilt: Trump ist in der Partei weder isoliert noch bedeutungslos geworden. Im Senat stimmten nur 5 Republikaner für das Impeachment-Verfahren (alles Namen ohne große Überraschungen, die sich schon während der gesamten Legislatur als Trump-Gegner inszeniert haben). Große Unterorganisationen und Interessengemeinschaften – wie etwa die Tea Party – halten uneingeschränkt zum Ex-Präsidenten. Viele hochrangige republikanische Senatoren und Gouverneure haben bereits bekräftigt, dass sie nicht vorhaben, die republikanische Partei in die Zeit vor Trump zurück zu katapultieren.

Es darf vermutet werden, dass die Gerüchteküche über eine mögliche Patriot Party vielmehr als einfaches strategisches Druckmittel dafür genutzt wurde, um sich auch in Zukunft die Unterstützung der republikanischen Parteiführung zu sichern. Ronna McDaniel und Mitch McConnell wissen um die zerstörerische Wirkung einer ernsthaften Konkurrenz im konservativen Lager. Doch Trump weiß vermutlich genauso gut, dass eine derartige Partei maximal ein paar symbolische Achtungserfolge einfahren könnte, aber weder ihm oder einem nahestehenden Familienmitglied die Präsidentschaft sichern würde. Insofern ist es richtig, dass Trump sich jetzt für die weitere zukünftige Unterstützung der republikanischen Partei entschieden hat und den Kampf um das künftige strategische und kommunikative Profil der GOP annehmen wird.

Was kann aus der Entscheidung Trumps gelernt werden?  

Viele vermuteten, dass Trump aus rein persönlichen Motiven den Schritt der Gründung einer Patriot Party gehen wird. Trump sei zu rachelüstern, eitel und verbittert, um sich als Teamplayer in das Gefüge der GOP einbinden zu lassen. Auch in vielen europäischen Rechtsparteien ist die Liste an Abspaltungen und Neugründungen groß. Falsche Analysen und Einschätzungen führten schon oft dazu, dass Politiker sich maßlos selbst überschätzten und mit neuen Projekten entweder ein liberaleres oder radikaleres Gegenangebot schaffen wollten, anstatt sich innerhalb der eigenen Partei der Auseinandersetzung zu stellen und an einem Interessen- und Machtausgleich mitzuwirken. Strache, Petry, Poggenburg und Lucke. Sie alle sind mit ihren Abspaltungen gescheitert und haben sich entweder auf ihren eigenen persönlichen Nimbus verlassen oder auf vermeintliche Analysen zu Repräsentationslücken in der Wählerschaft. Hinzu kamen völlige Fehleinschätzungen über Wechselwillige aus den Reihen der früheren Partei. Was sie nicht bedacht haben: Medien- und Nachrichtenlogiken lieben zwar Sensationen und Neuigkeiten, doch immer nur, solange damit ein spannender Konflikt verbunden ist. Als Frauke Petry die Partei „Die Blauen“ gründete und die AfD verlassen hatte, war dies nur solange interessant für die Medien, wie sie innerparteiliche Konflikte und Polarisierungen thematisieren konnten. Petrys Gegenentwurf blieb jedoch eine politische Eintagsfliege und taugte maximal für eine kleine Boulevardstory ohne echte Reichweite. Bernd Luckes Gründung der Liberal Konservativen Reformer (LKR) beruhte auf dem Glauben an eine Repräsentationslücke zwischen AfD und CDU, die jedoch offensichtlich nie existierte. Sie alle haben jedoch unterschätzt, welche Ressourcen, Kommunikationsmittel und Personal in einem funktionierenden Parteiapparat zur Verfügung stehen. Anstatt also das eigene persönliche Wirkungsfeld in neuen alternativen Projekten zu verbrennen, sollte stets versucht werden, innerhalb der etablierten Strukturen die Machtbasis auszuweiten, Flügelkämpfe konstruktiv durchzustehen und individuelle Handlungsmöglichkeiten zu eruieren.

Das Führen einer Partei und die Verstetigung ihres Erfolges ist vermutlich das komplizierteste und aufwändigste Handwerk in der Politik. Die AfD in Deutschland ist ein einmaliger Sonderfall, bei dem es erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik gelungen ist, eine relevante Partei rechts der CDU zu etablieren. Wenn es so etwas wie historische politische Gesetze geben sollte, dann gewiss, dass Parteigründungen immer nur in einem Momentum funktionieren, in dem es eine echte und nicht nur medial imaginierte Repräsentationslücke gibt, die richtigen Führungsfiguren und Fürsprecher zur Verfügung stehen und eine hohe Politikverdrossenheit herrscht. Die Grünen hatten ihr Momentum mit der aufkommenden Klima- und 68er- Bewegung. Die AfD war das verspätete gesellschaftliche Abbild der Sarrazin-Debatte 2010. Dies waren echte Stimmungen und Polarisierungen, die einerseits von einer kritischen Masse getragen wurden und zugleich im passenden Moment politisch organisiert werden konnten. Die reine Abspaltung von einer Partei und dazugehörige Gründung einer neuen ohne echtes gesellschaftliches Stimmungsmomentum ist immer zum Scheitern verurteilt.

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