AfD und die Kommunikationsfehler
in der Corona Krise

Mit einem Verlust von knapp 8% innerhalb von 2 Jahren in den Umfragewerten steht die AfD vor der kommunikationsstrategischen Frage, warum sie die beiden Themen „Klima“ und „Corona“ weder programmatisch noch mobilisierend für sich nutzen konnte. Wir haben ein paar mögliche Ursachen analysiert und zusammengefasst.

Wir schreiben das Jahr 2019. Die AfD hält sich in den Umfragen bei stabilen 13-14%. Vereinzelte Peaks auf 15 – 16% sind bei dem richtigen Agenda Setting immer mal wieder möglich. Doch dann bricht die Corona-Krise aus und die Umfragewerte gehen in den Keller. Absoluter Tiefpunkt: 7% in einer Umfrage von Forsa im November 2020. Die Partei ist gelähmt und konnte trotz einiger Protestdynamiken auf der Straße weder an die Querdenker anknüpfen noch ein wirksames Gegenkonzept zur Bewältigung der Corona-Krise liefern.

Auch innerhalb der Partei herrscht Uneinigkeit hinsichtlich einer konsistenten Kommunikationsstrategie und inhaltlichen Profilschärfung. Gerade zu Beginn der Krise fiel es der Partei schwer, überhaupt eine einheitliche Linie zu verfolgen. Anfänglich waren es sogar die AfD- Führungsspitzen, die einen Lockdown ähnlich wie in China einforderten, während die Bundesregierung mit Beschwichtigungen an die Bevölkerung herantrat. Hier tauchten die ersten kommunikativen Fehler auf, die jedoch als Einzelfälle sicherlich nicht allzu gravierend waren. Verantwortlich für die anhaltende Umfrageschwäche der Partei war vielmehr eine fortgesetzte Kette an inkonsistenter Positionierung und die falsche inhaltliche Prioritätensetzung.

Ähnliche Fehler wie in der Klimadebatte

Schon im Jahr 2019 hat die Partei die große Chance verpasst, in der Klimadebatte eigene Akzente zu setzen und begnügte sich mit dem Schüren von Ressentiments gegen Fridays for Future  und junge Menschen, die gegen den Klimawandel demonstrierten. Sowohl in der Klimafrage als auch beim großen Thema Corona hat die Partei ein Debattenfeld eröffnet, auf dem Sie immer nur verlieren konnte: Sie begnügte sich damit, die wissenschaftliche Deutung beider Phänomene grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Kampfbegriffe „Klimaleugner“ und „Coronaleugner“ wurden dem politischen Gegner quasi frei Haus geschenkt, weil die AfD versuchte, an einen Punkt in der öffentlichen Debatte zurückzukehren, über den es im Establishment und der medialen Hegemonie gar keinen diskursiven Anknüpfungspunkt oder ein Dissenzpotential mehr gab. Beim Klimawandel versuchte man, große Kongresse zu inszenieren, bei denen namhafte Meterologen und Geologen die Natürlichkeit dieses Vorgangs unterstrichen und den menschlichen Anteil an diesem Prozess als geringer einschätzten, als die meisten Wissenschaftler ihres Fachbereiches. Doch die große Spannung und Polarisierung in der Klimafrage liegt nicht in der Frage ihrer grundsätzlichen wissenschaftlichen Evidenz, sondern in den Folgen der eingeleiteten Maßnahmen, die ganze Industrien und Branchen in den wirtschaftlichen Abgrund führen werden.

Auch beim Thema Corona versuchen sich einzelne Parteiprotagonisten immer wieder als Mediziner und Virologen aus der zweiten Reihe. Doch wie bei der Klimadebatte verliert man sich auf Nebenkriegsschauplätzen und inszeniert große Erfolge mit juristischen Klagen gegen die Maskenpflicht im Deutschen Bundestag. Wie ist mit solchen Klagen den normalen Arbeitnehmern geholfen, die die Lockdownmaßnahmen zu erdulden haben?

Als Oppositionskraft kann die AfD gewiss keine unmittelbaren Veränderungen herbeiführen. Was sie aber durchaus könnte, wäre ein echtes empathisches Verständnis für die Betroffenen der Lockdownmaßnahmen zu entwickeln. Das bedeutet keine infantile Kommunikation über den „Masken-Irrsinn“ oder Kontaktbeschränkungen zu führen, sondern eine programmatische Schärfung der ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen für Arbeitsmarkt, Schule und Familien vorzunehmen. Auch in der wissenschaftlichen Debatte über die Gefährlichkeit des Virus begibt sich die AfD auf unsicheres Terrain.

„Nüchterne und sachliche“ Debatten über langfristige „Erderwärmungszyklen“ haben während der Hochkonjunktur des Klima-Themas ebenso wenig genützt, wie aktuelle Fachsimpeleien über Virusmutationen oder die Wirksamkeit von Impfstoffen. Es sind dies apolitische und fachwissenschaftliche Themenfelder, die in der Lebensrealität der betroffenen Zielgruppen keine Rolle spielen.

Man kann durchaus die wissenschaftlichen Grundlagen für die Corona-Beschränkungen in Zweifel ziehen. Doch die AfD verpasst gerade die einmalige kommunikative Gelegenheit, die jetzigen Corona-Maßnahmen deutlicher in Beziehung zu den Folgen für ihre Kernwählerschaft zu setzen. Vereinzelt geschieht dies auch, doch das große Narrativ, die durchschlagende Kampagne und das kohärente Emotional Design sind nicht erkennbar. Es fehlt an Pathos, Empathie und dem großen Erzählungsrahmen, der die zu erwartenden ökonomischen, sozialpolitischen und kollektivpsychologischen Verwerfungen der Corona-Einschränkungen aufgreift und sich nicht in kleinbürgerlichen Alltagsirrsinn verliert.

Der Pathosmoment auf Seiten der Regierenden

Genau dieser Pathos ist jedoch das, was den Regierungsparteien derzeit ihre hohen Zustimmungswerte sichert. Wenn Michael Müller sich vor den Berliner Senat stellt und die Geschichte eines türkischen Kraftkerls erzählt, dem Corona das Leben gekostet hat (auch wenn es Zweifel an der Authentizität dieser Story gab), dann ist dies eine einzigartige Machtdemonstration von emotionaler Kontrolle. Wenn Markus Söder und Co. die Maßnahmen als binäres Entscheidungssystem zwischen Leben und Tod darstellen, dann ist dies die Panikgrundlage, über die die Bundesregierung ihr Handeln legitimieren kann. Dabei ist es völlig egal, ob dieser vermeintliche Krisenmodus gerechtfertigt ist oder nicht. Kommunikativ entfaltet es die gewünschte Wirksamkeit und Zustimmung in der Bevölkerung. Die dystopischen Bilder aus China und Italien zu Beginn der Pandemie haben sich in die Köpfe der Menschen eingebrannt. Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und Ladenschließungen erwecken den Eindruck eines Kriegszustands, in dem das öffentliche Leben aus Sicherheitsgründen vollständig runtergefahren wird. Dies stärkt natürlicherweise jene Parteien, die als Krisenmanager die bedrückenden Zustände überwinden sollen. Die Regierungspolitiker produzieren beständig neue Schlagzeilen, treten in jeder Talkshow auf und können sich der uneingeschränkten Aufmerksamkeit sicher sein, wenn die von ihnen beschlossenen Maßnahmen am Ende alle Menschen im Land betreffen. Das alles ist nichts Neues, sondern das banale System des Nachrichten- und Informationswertes den Söder, Merkel und Co liefern.

Ein wesentlich stärkeres und mitreißenderes Framing als Phrasen zum
Ein wesentlich stärkeres und mitreißenderes Framing als Phrasen zum „Merkelmaulkorb“ oder „Corona Irrsinn“

Die AfD als Opposition muss hierbei jedoch nicht als passiver Beobachter nur zuschauen und sich zum Getriebenen dieser Nachrichtenlogiken machen. Für die Partei liegt enormes Wachstumspotential in der sich anbahnenden ökonomischen Krise, die heftige Verschiebungen in der politischen Zustimmungstektonik hervorrufen wird. Noch kann der Staat die schlimmsten Bruchstellen durch milliardenschwere Hilfspakete zuschmieren, doch Insolvenzen und Arbeitslosigkeit werden die kommende Krise auszeichnen. Einerseits erfordern diese strukturellen Voraussetzungen eine programmatische und inhaltliche Schärfung. Zum anderen ist der Lockdown auch mit individuellen Schicksalen und Geschichten der betroffenen Menschen verbunden. Um mit den emotionalen Narrativen der Regierungsparteien zu konkurrieren, müsste die AfD Einzelschicksale aufgreifen, Identifikationsflächen schaffen und ein quantitatives Protestpotential sichtbar machen. Das heißt weg von zweitrangigen Themenfeldern wie Fachdiskussionen zum Corona-Virus oder Klagen gegen die Maskenpflicht und hin zum Aufgreifen von existenziellen Sorgen von Hotelbetreibern, Gastronomen, Familien mit Kindern, Kurzarbeitern, Arbeitslosen und alten Menschen. Oberthemen wie der Wandel der Arbeitswelt, Vereinsamung als gesellschaftliches Phänomen, Pflegenotstand und Rettung des Mittelstandes müssen den Rahmen bilden, um den herum sich schließlich konkretisierte Kommunikations- und Kampagnenkonzepte formieren, die dann schließlich mit persönlichen Geschichten, Schlagworten und emotionsbasierten Framings angereichert werden.

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