Die Verfassungsschutzbeobachtung
kommt - Was tun?

Was tun gegen die angekündigte Beobachtung des Verfassungsschutzes gegenüber der AfD? Wird es einen großen Wähler- und Mitgliederexodus geben? Oder findet die Partei einen souveränen Umgang, der auch die inhaltlichen und weltanschaulichen Dimensionen dieser Beobachtung berücksichtigt? Wir geben einen kleinen Überblick.

Der VS-Zug rollt näher und noch immer sitzt die AfD-Parteiführung gefesselt auf den Gleisen, ohne Möglichkeiten für wirksame Befreiungsschläge. Vereinzelt werden mit letzter Kraft ein paar Steinchen aus dem Gleisbett aufgetürmt, in der Hoffnung, dass der Zug daran irgendwie entgleisen könnte.

Laut Medienberichten will der Verfassungsschutz unter der Führung von Thomas Haldenwang im Januar 2021 eine Entscheidung über die Beobachtung der AfD treffen. Gegenüber den Innenministern soll Haldenwang bereits eine Tendenz hin zur Beobachtung als Verdachtsfall deutlich gemacht haben. Damit dürfte es als gesichert gelten, dass die Partei unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz in das Wahljahr 2021 geht. Dass sich der Verfassungsschutz noch aufgrund neuer Indizien umentscheiden wird, darf als unwahrscheinlich gelten. Die Beobachtung der größten deutschen Oppositionspartei wird in dieser Behörde nicht im Ad-hoc-Verfahren vorbereitet. Man kann davon ausgehen, dass diese Beobachtung bereits seit Monaten in der Schublade Haldenwangs lag und jetzt nur noch final von internen Juristen und Analysten abgesichert und klagefest gemacht wird. Insoweit dürften auch die Ereignisse des letzten Bundesparteitages, des Listenparteitags in Niedersachsen oder pathosreiche Bundesvorstandsbeschlüsse und Hamburger Erklärungen kaum noch für die Einordnung der Partei eine relevante Rolle gespielt haben. Gegenüber der Innenministerkonferenz machte der Verfassungsschutzchef sogar deutlich, dass der vergangene Bundesparteitag als Beleg für die These der Verfassungsfeindlichkeit diene, da das ehemalige Flügelnetzwerk scheinbar nur knapp verloren habe und auf den Parteitagen immer noch fast die Hälfte der Delegierten stelle.

Entweder sind solche Aussagen von einem destruktiven Kalkül oder purer Böswilligkeit geleitet. Das Abstimmungsverhalten eines Parteitages, auf dem es um Kandidatenwahlen geht, als Indiz für eine verfassungsfeindliche Bestrebung zu nutzen, ist mindestens als niederträchtig einzuordnen. Haldenwang macht deutlich, dass es ihm in der öffentlichen Kommunikation dieser Beobachtung nicht um inhaltliche Aspekte geht, sondern um personelle Fragen. Ein recht unverhohlener Wink an die Parteiführung, sich knapp 50% der Parteimitglieder zu entledigen, um eine winzige Chance zu bekommen, der Beobachtung doch noch zu entgehen.

Die Fokussierung auf die ehemaligen Flügelnetzwerke und personellen Verzweigungen werden jedoch nicht die alleinigen Gründe für die Beobachtung sein. Vermutlich bieten sie sogar in der juristischen Auseinandersetzung die schwächsten Argumente. Doch für das kommunikative Agenda-Setting in der Öffentlichkeit sind sie besonders effektiv und dienen zugleich als Anreiz für die Destruktion und Spaltung der Partei. Die Auflösung des Flügels, der Rauswurf von Andreas Kalbitz und die Rede von Jörg Meuthen in Kalkar waren Zugeständnisse an den VS, die offensichtlich jedoch keine Rolle für die Einstufung gespielt haben, oder denen nur wenig Relevanz beigemessen wurde. Anstatt sich also der inhaltlichen Dimension dieser anstehenden Beobachtung zu widmen, werden nach wie vor Windmühlengefechte gegen personelle Akteure und Netzwerke geführt. Die Partei wird sich auf die Beobachtung vorbereiten und dabei auch aus vergangenen Fehlern lernen müssen.

Die Fehler:

  • Als das Prüffallgutachten durch den Verfassungsschutz bekannt gegeben wurde, richtete die AfD unverzüglich eine Arbeitsgruppe ein, die eine effektive Abwehrstrategie gegen die Beobachtung erstellen sollte. Ergebnis ist ein Gegengutachten des Staatsrechtlers Professor Murswiek sowie rhetorische und inhaltliche Handlungsempfehlungen für Funktionäre. Eine nüchterne Ausarbeitung, an der grundsätzlich nicht viel zu beanstanden ist. Trotz aller metapolitischen Theorien über Deutungshoheit muss sich eine Partei schlussendlich mit der politischen Realität abfinden. Wenngleich dies nicht bedeutet, dem Meinungskampf grundsätzlich aus dem Weg zu gehen.

    Hier hat sich die Bundespartei jedoch mit einer denkbar uninspirierten und erfolglosen Kampagne „Gemeinsam für das Grundgesetz“ ohne Not in die Defensive begeben und die Deutungshoheit dem politischen Gegner überlassen. Mit Banalitäten und Floskeln versuchte man, das religiös aufgeladene Pathos bezogen auf das Grundgesetz zu übernehmen und führte eine teure Kampagne, deren Webseite und YouTube-Kanal kaum Reichweite hatten und technisch wie gestalterisch offensichtliche Defizite aufwiesen. In einer Videoserie erklärten einzelne Abgeordnete, Funktionäre und einfache Mitglieder ihren „Lieblingsartikel“ im Grundgesetz. Was war das Ziel dieser Kampagne? Ein informatives Aufklärungsangebot über die Verfassung? Doch wohl eher handelte es sich um ein überteuertes Signal an den Verfassungsschutz, um ein vermeintliches Missverständnis gegenüber der AfD aus dem Weg zu räumen.

  • Die Partei hat es versäumt, sich intensiv mit den Arbeitsweisen, der Geschichte und den Handlungsvoraussetzungen des Verfassungsschutzes auseinanderzusetzen. Eine tiefere – ggf. auch intern gehaltene – intellektuelle Debatte über die thematischen Komplexe, der rechte und konservative Gruppen heute durch die ideologische Voreingenommenheit des Verfassungsschutzes ausgesetzt sind, konnte nicht vernommen werden.

    Man scheute die konkrete inhaltliche Auseinandersetzung mit den ideologischen Festlegungen aus dem Prüffallgutachten, deren Vorwurfgehalt durchaus eine Profilschärfung in den Fragen von Staatsbürgerschaft, Islamkritik, Volkszugehörigkeit und Migrationskritik notwendig gemacht hätte. Stattdessen beschränkt sich die Abwehrstrategie derzeit auf Kritik an Stil, Rhetorik und Außendarstellung. Diese Debatten kann man führen. Doch für die Errichtung eines eigenen standfesten Schutzwalls gegen den Verfassungsschutz sind sie ungeeignet .

    Die AfD muss nun mehrere Szenarien durchspielen, um zu einem strategischen und kommunikativen Umgang mit der kommenden Beobachtung zu finden.

  1. Resilienz

    Die dauerhafte Beschäftigung mit dem Verfassungsschutz kann im schlimmsten Fall zu einem echten innerparteilichen Hemmnis werden, was für das Superwahljahr 2021 fatale Folgen hätte. Um dem vorzubeugen, sollte eine gewisse Gelassenheit im Umgang mit der Beobachtung als parteilicher Gemütszustand etabliert werden. Nahezu alle Akteure in der Partei – von bürgerlich-gemäßigt bis hin zum Ex-Flügel – sind sich einig, dass der VS unter Thomas Haldenwang zunehmend zu einer ideologisch motivierten Behörde geworden ist, die den Konkurrenzschutz für die Altparteien exekutiert. Hier sollte es einen souveränen Umgang mit der Behörde geben, der einerseits keine unnötigen Provokationen befördert, andererseits aber in der Hauptkampflinie deutlich macht, zu welchem Zweck der Verfassungsschutz gegen die größte Oppositionspartei in der Bundesrepublik eingesetzt wird.

    Das konservative Grundvertrauen in die Institutionen ist ein verständlicher Reflex. Dieses sollte aber im Falle des Verfassungsschutzes einer grundsätzlichen Revision unterzogen werden, um zu erkennen, dass sich die Behörde VS vom Neutralitäts- und Rechtsstaatlichkeitsgebot verabschiedet und auf das politische Kampffeld begeben hat. Es gilt, sich diesem Mindset entsprechend zu verhalten.

  2. Diskrepanz schaffen

    Adressat der politischen Kommunikation bleiben die eigenen Wähler und nicht der Verfassungsschutz. Daher gilt es, den Vorwurf der Radikalisierung zu spiegeln, um den Kontrast zwischen der individuellen Wahrnehmung der AfD und ihrem medial verzerrten Bild zu erhöhen. Das muss nicht durch Erklärungen oder Beschlüsse erfolgen, die lediglich ein paar Allgemeinplätze zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung enthalten. Die eigenen Inhalte und Positionierungen müssen offensiv und selbstbewusst kommuniziert werden, um dem Wähler ein eigenes Vorstellungs- und Eindrucksbild von der vermeintlichen Verfassungsfeindlichkeit zu liefern. Sind die Zuwanderungsbegrenzung und der kulturelle Erhalt des deutschen Volkes verfassungsfeindlich? Verstoßen das selbstbewusste Bekenntnis zum eigenen Volk und die Kritik an der Regierung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung? Mitnichten! Eine derartige Delegitimierungsstrategie kommuniziert die zentralen Inhalte und überlässt der Wählerschaft selbst die Entscheidung, ob Forderungen extremistisch sind oder nicht.

    Hier wird schließlich auch der inhaltliche Diskurs in die Öffentlichkeit getragen, über den der politische Gegner schließlich gezwungen ist, sich ganz konkret zu positionieren, anstatt nur bequem die klassischen Phrasen der linken Hegemonie zu übernehmen. Linke Gruppen bedienen sich immer wieder dieser kommunikativen Abwehr gegen den Verfassungsschutz und nutzen die Beobachtung zur eigenen inhaltlichen Schärfung. Sie mögen zwar grundsätzlich mehr Akzeptanz aus dem Establishment erfahren. Doch auf den Vorwurf des Linksextremismus wird hier die rhetorische Frage zurückgeworfen, ob Klimaschutz, Menschenrechte, Antidiskriminierung etc. extremistisch seien. Die eigene Anhängerschaft wird dies stets verneinen und dem Verfassungsschutz somit noch mehr Autoritätswirkung entziehen.

  3. Juristische Abwehr

    Eine Verfassungsschutzbeobachtung ist juristisch überprüfbar und kann, wie das Beispiel der Republikaner zeigt, auch abgewendet werden (im Fall der Republikaner nur leider viele Jahre zu spät). Über den juristischen Kampf und seine öffentliche Begleitung und Kommentierung können Falschbehauptungen oder Scheinvorwürfe ausgeräumt und Klarheit über die Gründe der Beobachtung geschaffen werden. Ein derartiges Verfahren sollte nicht als Selbstzweck gelten, sondern durchaus in die Multistrategie der Resilienz und Diskrepanz eingefügt werden. Auch der juristische Kampf sollte stets einem offensiven Selbstverständnis folgen und die Grundsatzfrage klären, was in der Bundesrepublik von rechts noch sagbar ist. Angesichts der zahlreichen Beobachtungen von patriotischen Gruppen und weiteren rechten Akteuren muss festgestellt werden, ob es überhaupt noch einen demokratisch zulässigen Raum rechts der CDU geben kann. Dieser Punkt muss soweit zugespitzt werden, dass erkennbar wird, ob die Gerichte tatsächlich noch zu unabhängigen Entscheidungen in der Lage sind oder dass die Herrschenden die eigenen totalitären Absichten eingestehen.

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