In Zeiten der zunehmenden Parteienfragmentierung verlagern sich auch politische Wahlentscheidungen auf kleinteilige Faktoren bei denen einzelne emotionale Trigger schon ausschlaggebend sein können. Wie baut man ein politisches Image auf und welche Tools und Formate können dafür genutzt werden?
Die Wählerschaft der AfD zeichnet sich bei vergangenen Wahlen vielmehr durch eine starke programmatische und inhaltliche Bindung an die Partei aus, als durch eine personenzentrierte Orientierung. Während im internationalen Vergleich konservative und rechte Parteien auch durch ihr Spitzenpersonal geprägt sind (Front National – Marine Le Pen, FPÖ – ehemals Strache, Lega Nord – Matteo Salvini), scheint sich in Deutschland der politische Protest durch spezifische Themenfixierung und Inhalte zusammenzufassen, die von ihren personellen Repräsentanten unabhängig zu sein scheinen. Dass der Fokus und die Ausrichtung auf Einzelpersonen nicht risikolos ist, zeigt das Beispiel der FPÖ in Österreich, wo die gesamte Partei auf den Parteiobmann Heinz Christian Strache eingeschworen war und ein einziges kompromittierendes Video aus Ibiza gereicht hat, um eine ganze Regierungskoalition zu sprengen und die FPÖ in eine existenzielle Krise zu stürzen. Dass eine Partei möglichst vielfältige personelle Säulen braucht, um auch Krisen und Skandale abzufedern, sollte daher aus Ibiza als Lehre mitgenommen werden.
Transformation von Protest in Parteibindung
Der Erfolg der AfD lässt sich vor allem durch das Aufbrechen eines lange gärenden Protests in der bundesrepublikanischen Gesellschaft erklären, welcher mit der Partei einen exklusiven Repräsentanten gefunden hat. Die Partei lebt von ihrem Agenda Setting und weniger durch charismatische Persönlichkeiten. Dennoch braucht es zu einer mittelfristigen Etablierung und Verstetigung des eigenen Wählerpotentials auch Charaktere, die als Identifikationsfläche für die Wähler und als authentische Vorbilder dienen können. Die inhaltliche Programmatik findet in den Persönlichkeiten eine symbiotische Verbindung, die aus der abstrakten thematischen Ausrichtung ein konkretes menschliches Abbild reproduziert, welches sympathisch, zugänglich, nahbar und ehrlich wirkt.
Ein personelles Politikerimage kann einerseits – wie bei der FPÖ gesehen – Parteien zugrunde richten und andererseits – wie bei der FDP und ihrem Zugpferd Christian Lindner – sie auch aus der politischen Talsohle herausholen. Wie der Wahlkampf 2017 gezeigt hat, ist die gesamte FDP auf einen personenzentrierten Christian-Lindner-Kurs eingeschwenkt, hatte damit bekanntlich Erfolg und schaffte so nach der kurzen Periode der „außerparlamentarischen Opposition“ den Wiedereinzug in den Bundestag.
Auch für die AfD könnte im Wahljahr 2021 der personelle Imageaufbau ein Schwerpunkt in der Kampagnenführung werden, besonders wenn das thematische Agenda Setting schwächelt und die etablierten Medien einen Mantel des Schweigens über die Partei hüllen. Hier braucht es auf Bundes-, Landes-, und vor allem Kommunalebene inspirierende Charaktere und Persönlichkeiten, die sich in der Bevölkerung verankern und das personelle Profil der Partei schärfen. Es braucht Menschen, deren Biographien und Lebensentwürfe den Querschnitt der eigenen Wählerschaft widerspiegeln.
Erst kürzlich gab es in der sächsischen Stadt Chemnitz eine Debatte über die Aufstellung des Direktkandidaten Michael Klonovsky, der gemeinhin als eher intellektuelles und bürgerlich orientiertes Aushängeschild der Partei gilt. Die Diskussion zog sich entlang der Frage, ob ein derartiges Charakterprofil im doch eher rustikalen Osten und traditionell verwurzelten Sachsen relevante Wählermassen mobilisieren und motivieren kann. Ob hier jedoch die Biographie als Grundlage oder die richtige Außendarstellung und Inszenierung entscheidend ist, kann erst durch die reale Praxis beantwortet werden. Vermutlich gäbe es auch in einer Stadt wie Chemnitz geeignetere Kandidaten, doch am Ende ist dies unserer Ansicht nach auch nur eine Frage der strategischen Kommunikation, die die Partei klug und analytisch beantworten sollte.
Basisvorbereitung für die personelle Imagekampagne
Zum Aufbau eines politischen Images gehört nicht nur die personelle Charakteristik, sondern auch die richtige Auswahl von Alleinstellungsmerkmalen, eine emotional bindende Story und die richtigen Medien zum Informationstransport und für die Außendarstellung.
Storytelling:
Seit Jahren erlebt die Wählersoziologie eine zunehmende Aufweichung von traditionellen Parteibindungen. Während in der alten Bundesrepublik die beiden Volksparteien CDU und SPD die Lebenswelten der gesellschaftlichen Gruppen zuverlässig abbildeten, haben sich heute Einstellungen, Wertevorstellungen, soziale Statuslagen und Biografien wesentlich deutlicher ausdifferenziert. Dementsprechend kann heute auch nicht mehr von ideologisch festen Parteiblöcken in der Wählerschaft gesprochen werden, was zur Folge hat, dass sich Wahlentscheidungsmotive zunehmend auf die personelle Ebene verlagern. Die politische Persönlichkeit ist jedoch nie absolut: Ein modernes Politikerimage kann nicht einfach nur roboterartig das Parteiprogramm repräsentieren, sondern muss als Charakter mit Haltung, Konturen, Stärken und Schwächen wahrgenommen werden können.
Dafür ist es unabdingbar, ein tiefes Verständnis von der Lebenswirklichkeit der eigenen Zielgruppe zu erhalten und dabei Geschichten, Träume, Sorgen und sonstige emotionale Bezugspunkte zu erfassen und in die eigene Imagebildung mitaufzunehmen. Über einen Fragenkatalog können schließlich Wording, Slogans und die mediale Inszenierung konkretisiert werden.
Fragen zur Zielgruppenanalyse
■ Was kennzeichnet die sozialpsychologischen Einstellungsmuster der Kernzielgruppe?
■ Was kennzeichnet das räumliche und infrastrukturelle Umfeld der Zielgruppe
■ Welche arbeitsweltlichen und ökonomischen Umstände prägen die Motive für mögliche politische Präferenzen?
Fragen zum Storytelling
■ Was zeichnet die individuelle Biografie und Lebenswelt des durchschnittlichen AfD-Wählers aus? Wie könnte sich sein Tagesablauf gestalten? Was sind seine mittel- und langfristigen Lebensziele (Eigenheim, Kinder, berufliche Weiterentwicklung, Urlaubspläne, bis hin zu vermeintlich banalen Lebensbereichen wie dem Lieblingsessen, Hobbys oder Haustieren)?
■ Welche historischen Analogien und Inspirationsquellen dienen einer emotionalen Identifikation mit der Zielgruppe und wo finden sich kulturelle Anknüpfungspunkte? Von historischen Persönlichkeiten bis hin zu Musik- und Theaterstücken, Filmen oder Romanen gibt es hierfür zahlreiche Möglichkeiten.
■ Was sind alltägliche Ereignisse, die den moralischen Wertekompass und die politische Einstellung beeinflussen (Erlebnisse in der Straßenbahn, Discothek oder im Restaurant)?
Fragen zur politischen Imagebildung
■ Was sind die eigenen Stärken, Schwächen und Potentiale des Kandidaten?
■ Auf welcher kommunikativen Ebene können die eigenen Stärken und Wohlfühlzonen am besten ausgespielt werden?
■ Wie sieht das idealisierte Bild von der Wirkung der eigenen Person aus? Wie möchte der Kandidat von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden?
■ Welche zentralen Themen können authentisch und kompetent vertreten und in die Öffentlichkeit getragen werden?
Wenn alle diese Frageblöcke ein kohärentes Bild ergeben, ist eine sinnvolle analytische Basis für die Umsetzung der praktischen Wahlkampfanforderungen wie Plakatgestaltung, Slogans und die Konfiguration der Social-Media-Tools geschaffen.
Außendarstellung und Präsentation
Die Basis jeder Kommunikationsregel lautet immer wieder Authentizität.
Authentizität muss immer im Einklang mit dem gewünschten Kommunikationsziel stehen. Dabei sollten die Ziele in einem Stufensystem betrachtet werden. Dieses hilft bei der Orientierung, inwieweit beim vermittelten Inhalt die grundsätzliche personelle Markenbildung und Imagepflege (1. Stufe) im Einklang steht mit der unmittelbaren Botschaft und der daraus abgeleiteten Erwartungshaltung gegenüber den Reaktionen und Wirkungen der Zielgruppe (2. Stufe).
Insbesondere die Social-Media-Kommunikation steht immer wieder in einem kommunikativen Spannungsfeld: Für eine authentischen Präsentation wird sowohl die private Seite des Politikers gezeigt, als auch politische Aufklärungsarbeit geleistet.
Viele Akteure denken schließlich, dass ein paar Instagram-Storys mit netten Fotos vom sonntäglichen Frühstückstisch oder von ihren Haustieren eine authentische Kandidatenprofilierung schon abdecken.
Viel entscheidender kommt es jedoch darauf an, – bezugnehmend auf den oben ausgeführten Fragenkatalog – die eigene Zielgruppe zu verstehen und ihnen Content zu präsentieren, der sie nicht nur für ein schnelles „Gefällt mir“ einlädt. Ziel muss es sein, Angebote für den Empfänger zu schaffen, durch kleine oder größere Handlungen direkt mitzuwirken und mitgenommen zu werden. Grundsätzlich sollte sich von der Vorstellung verabschiedet werden, dass allein Parameter wie Beitragsreichweiten oder „Likes“ ausschlaggebend seien. Vielmehr muss sich auf eine qualitative Prüfung der Kommunikationswirkung fokussiert werden, die den Nutzern Beteiligungsangebote und tiefergehende Informationswelten eröffnet, die spannend und mitreißend sind. Entscheidend ist also die Transformation der Social-Media-Fans in aktive Unterstützer und Konsumenten eines crossmedialen Informationskosmos. Das heißt: Weniger Fokus auf schnelle Likes, sondern auf die Zahl der Besucher der eigenen Webseite und die Zahl der Newslettereintragungen – das zählt mehr- als reine Beitragsreichweiten!
Videos
Die Nutzung von Instagram, Facebook und Twitter ist für viele politische Akteure weitaus bequemer, als der zeitintensive Aufbau eigener Kanäle auf Videoplattformen – Hier eine schnelle Grafikkachel, dort ein fix geteilter Link und schon stellt sich die Zufriedenheit ein, „überhaupt etwas getan zu haben“. Eigene Videoformate sind entweder teuer, wenn man die Produktion extern auslagert, oder erfordern eine intensivere Beschäftigung mit technischen Voraussetzungen, was am Ende schließlich wieder Praxis und Übung erfordert. Doch wer die eigene Imageausbildung und Pflege ernsthaft angehen will, kommt an eigenen authentischen Videoformaten nicht vorbei. Videos lassen den Kandidaten nahbarer erscheinen und haben durch ihre audiovisuelle Mediumsstruktur wesentlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten im „Emotional Design“ als nur ein einzelnes Bild mit dazugehörigem Text. Folgerichtig erreichen Videoclips auf nahezu allen Plattformen auch die höchsten Interaktionsraten. Auch in der täglichen Nutzungsdauer gewinnen Videos an Bedeutungskraft, sodass in den jüngeren Altersklassen die Nutzung der Plattform YouTube inzwischen signifikant höher ist, als von Facebook, Instagram & Co.
Wer also jetzt schon mit der Imagebildung für den Wahlkampf 2021 beginnen möchte, sollte sich als Basis schon einmal einen YouTube-Kanal einrichten und diesen mit ersten Formaten bespielen. Dies können Reportagen, Dokumentationen, Livestreams, FAQ´s, Statements, Podcasts, Kurzclips, Infovideos etc. sein. Entscheidend ist das richtige Format für die entsprechende Zielgruppe und die reaktive Erwartungshaltung an diese.
Fazit:
Wir haben gesehen, dass Imagekampagnen und politische Kandidatenzentrierungen dazu dienen können, programmatische Inhalte zu komplementieren und zu ergänzen. Insbesondere wenn ein wirksames thematisches Agenda Setting nicht gelingt, können sympathisch und authentisch wirkende Politiker Aufmerksamkeitslücken in der Öffentlichkeit schließen. Von daher sollte die personelle Imagebildung und professionelle Inszenierung auch für das Wahljahr 2021 als strategischer Baustein berücksichtigt werden.