Superwahljahr 2021 - Was tun?

Das Wahljahr 2021 steht an. Was können schon jetzt vorbereitende strategische Planungen, Ideen und Maßnahmen sein für einen erfolgreichen Wahlkampf und was sind die richtigen analytischen Fragen?

Sechs Landtagswahlen und eine Bundestagswahl. Das Jahr 2021 wird wieder ein klassisches Superwahljahr, in dem sich für die AfD entscheidet, ob sie an die großen Erfolge der Jahre 2016 und 2017 anknüpfen und einen starken Wiedereinzug in zahlreiche ost- und westdeutsche Landesparlamente erreichen kann.

Vor allem aber die Bundestagswahl steht in einem verstärkten Aufmerksamkeitsfokus. 2017 ist man mit 12,7% eingezogen und konnte auch über den gesamten Verlauf der Legislatur in den Umfragen Ergebnisse in diesem Bereich halten. Größere Abweichungen gab es meist nur nach oben, wo die Partei Anfang 2018 einen Spitzenwert von 18% beim Institut YouGov erreichen konnte und damit sogar die SPD überholte. Mit der Corona-Krise gab es nur leichte Ausschläge nach unten, die überwiegend aber immer noch im zweistelligen Bereich blieben und nur in seltenen Fällen auf Werte unter 10% sanken.

Aktuell finden in allen Landesverbänden Wahlaufstellungsversammlungen und erste Listenparteitage statt, was naturgemäß auch mit starken Personal- und Machtfragen verbunden ist, die den Fokus auf die tatsächliche Wahlkampfvorbereitung verstellen. Oftmals sind viele parteipolitische Akteure auch noch in einem Muster verfangen, dass der Wahlkampf erst beginnt, wenn die ersten Plakate an den Laternen hängen und dann sechs Wochen Vollgas angesagt ist.

Doch moderne Wahlkämpfe sind wesentlich komplexer, anspruchsvoller und müssen mit der Zielgruppe in viel engere Kommunikationsverhältnisse eintreten als nur via analoger Printwerbung und ein paar Infoständen, um das standardisierte „Soll“ zu erfüllen. Insbesondere bei der AfD scheint die Entscheidung der Wählerschaft schon deutlich früher festgelegt zu sein, als bei anderen Parteien, deren Wähler sich oft erst spät entschließen. Wir wollen einige Maßnahmen und Tools vorstellen, die als Anregung dienen können, um schon jetzt das Fundament für eine erfolgreiche Wahlkampagne im Jahr 2021 zu legen.

Zielgruppenidentifizierung und regionale Analysen – Daten, Daten, Daten…

Herzstück jeder Wahlkampfstrategie bleibt die Zielgruppe der Kernwähler. Einerseits gilt es, die Basiswählerschaft der vergangenen Wahlen erneut für eine Stimmabgabe zu begeistern und zugleich Zielgruppencluster zu identifizieren, in denen noch Wachstumspotentiale möglich sind. Die AfD hat bei den letzten Wahlen vor allem aus dem Lager der Nichtwähler enorme Zuwächse verzeichnet. Eine Zielgruppe, die einerseits schwer zu halten ist, aber in der zugleich noch große demoskopische Möglichkeiten schlummern. Sowohl eine Mobilisierungs- (eigene Wählerschaft halten und zum Urnengang motivieren) als auch eine Jagdstrategie werden hier in ein ausgeglichenes Verhältnis gesetzt werden müssen.

Wichtig ist es, über die verfügbare Studienlage und demoskopische Datensätze einen eigenen prototypischen AfD-Wähler zusammenzustellen. Hilfreich können hierfür auch eigene qualitative Umfragen oder Gesprächskreise sein, in denen in kleinen Gruppen und Diskussionspanels der klassischen Mitgliederbasis und AfD-Wählern vor Ort inhaltliche Hypothesen entwickelt werden, die dann mittels quantitativer Umfragen und Studien über entsprechende Institute gegengeprüft werden. Anschließend können verschiedene individuelle und sozioökonomische Faktoren zusammengefasst und regionale Korrelationen bestimmt werden.

Beispiel: Durch lokale Befragungen bei Bürgergesprächsabenden, Stammtischen, Mitgliederversammlungen, Diskussionspanels oder direkte Einladungen in Bürgerbüros und Geschäftsstellen, werden wiederkehrende Einstellungsmuster und Motive erfasst, die eine Wahlentscheidung für die AfD wahrscheinlich machen. Sodann werden aus den aggregierten qualitativen Daten größere quantitative Umfragen in Auftrag gegeben, um im Anschluss über demographische Informationsdienste der Wahlkreise Überschneidungen und Signifikanzen zu filtern.

Dadurch können bereits vor der eigentlichen „heißen“ Phase regionale Schwerpunkte für den Wahlkampf identifiziert und ein zielgerichtetes Wording entwickelt werden. Es gilt also, Wählerprototypen zu entwickeln und regionale Schwerpunktanalysen der Wahlkreise in Angriff zu nehmen. Je kleinteiliger und differenzierter die Datensätze am Ende sind, umso effektiver lassen sich schon im Vorfeld direkte Mobilisierungsstrategien vor Ort starten, um die eigene Wählerbasis zu motivieren und möglicherweise auch als Multiplikatoren im direkten sozialen Umfeld zu nutzen.

Social-Media-Kanäle konfigurieren – Die digitale Kampagne

Keine moderne Wahlkampagne kommt heute mehr an digitalen Social-Media-Kanälen wie Facebook, Instagram und Twitter vorbei. Auch Messenger-Dienste wie Telegram werden zunehmend als Kommunikationsinstrument eingesetzt. Hier ist die AfD über die klassischen Erfolgsindikatoren wie Reichweite und Follower – im Vergleich zu ihren politischen Konkurrenten – bereits stark aufgestellt.

Doch Follower allein nützen nichts, wenn es keine Strategien der direkten Einbindung und Konvertierung in Multiplikatoren, Wahlkampfhelfer oder Mitglieder gibt. Mit dem Modell der einfachen Kachelgrafiken mit kurzen inhaltlichen Statements ist zwar die Basis der Social-Media-Kommunikation erfüllt, aber die Follower bleiben in einer reinen Konsumentenrolle. Moderne Social-Media-Kommunikation heißt aber auch, neben dem rein informierenden Charakter die Plattform zu nutzen, um direkte Multiplikatoren, Helfer und Unterstützer zu gewinnen und die Anhängerschaft von Likes in Newsletter-Abonnenten, App-Downloader, Wahlkampfhelfer, Mitglieder oder Spender zu konvertieren. Eine gute Social-Media-Strategie sollte daher konzept- und planungsorientiert vorgehen und stets berücksichtigen, dass Facebook und Co. nur ein Instrument sind zur Zielgruppenansprache. Wichtig ist das Orchester aus Content, direkter Messenger-Kommunikation, Call-to-Action und „Retargeting“. Es gilt, die eigene Zielgruppe zu motivieren, zu aktivieren und Möglichkeiten des Mitwirkens aufzuzeigen.

Budgetplanung für den digitalen Wahlkampf
32 Millionen Menschen in Deutschland nutzen Facebook, 20 Millionen sind auf Instagram und etliche Bürger nutzen mehrmals am Tag die Google-Dienste

Budgetplanungen für Wahlkämpfe beziehen sich meist auf die klassischen Werbemittel wie Plakate, Flugblätter und Infostandmaterial. Angesichts des breiten Einsatzes sind diese Mittel jedoch auch mit hohen Streuverlusten zur Ansprache der relevanten Zielgruppen verbunden. Über spezifizierte Targeting-Methoden auf Social Media, Google Ads und seinem Displaynetzwerk können mit der richtigen Konfiguration Zielgruppen erreicht werden, die auch tatsächlich relevant für die potenzielle Wählerschaft sind. Effekte sind hierbei direkt messbar und offensichtliche Fehler lassen sich durch modifizierte Einstellungen schnell verbessern. Zugleich können die Ziele über Reichweitenerhöhung, Klicks auf eine Webseite, Newslettereintragungen etc. klar definiert werden. Eine moderne Wahlkampfbudgetplanung sollte also unbedingt auch den Faktor der bezahlten Digitalwerbung berücksichtigen, anstatt Unsummen an Geld ausschließlich für Plakat- und sonstige Printwerbung zu verschwenden. Zugleich sollte die AfD gezielt Verantwortliche für den Bereich „digitale Werbeanzeigen“ beauftragen, die sowohl die grundlegenden Einstellungsmöglichkeiten der Plattformen beherrschen, als auch flexibel auf dynamische Effekte und Änderungen in den Digitalkampagnen reagieren können.

Wahlkampfdrehbuch schreiben

Wahlkämpfe sind immer auch an Geschichten und Erzählungen geknüpft. Es geht nicht nur um die abstrakte Vermittlung der eigenen Programminhalte, sondern um emotionale Identifikation und die lebensnahe Ansprache. Die österreichische Volkspartei unter Sebastian Kurz hat im Rahmen des Nationalratswahlkampfes beispielsweise ein Tool geschaffen, in dem Nutzer ihre individuelle Lebenssituation und politischen Präferenzen mit wenigen Klicks zusammenfassen konnten. Über eine datenbasierte Verarbeitung wurden ihnen sodann die Kernelemente des eigenen Wahlprogramms präsentiert , die auf ihre realen Einstellungen, Hoffnungen, Visionen, Sorgen und Probleme zugeschnitten waren.

Es ist daher nicht nur relevant, die reinen Datensätze und Merkmale der Zielgruppe zu kennen, sondern auch ihr Leben, ihr Umfeld, ihre Einstellungen und ihre Biografien zu verstehen. Darauf aufbauend, sollte schließlich eine kommunikative Strategie entwickelt werden, die an diese Geschichten anknüpft, sie weitererzählt und in spannende Handlungsstränge, Konflikte, stellvertretende Akteure und schlussendlich eine politische Lösung einbindet. Was ist die Erzählung, die die AfD anbietet? Welche klassischen Biografien und Lebensentwürfe prägen die Anhängerschaft und wie können diese wirkungsvoll in ein mitreißendes Storytelling gepackt werden?

Basisnetzwerke aufbauen und Experiment Haustürwahlkampf

In den US-Wahlkämpfen wurden die Stärken und Potentiale von sogenannten Graswurzel- und Basisbewegungen längst erkannt. Spätestens seit der Obama-Kampagne 2008, in der es gelang, über 2 Millionen freiwillige Helfer und Unterstützer aus der Bevölkerung zu mobilisieren, werden inzwischen ganze Bevölkerungsgruppen als Multiplikatoren für den eigenen Wahlkampf eingesetzt. Mittels entsprechender Handyapplikationen führt man großflächige Haustürwahlkämpfe durch und setzt Influencer aus sämtlichen Medienbereichen als politische Markenbotschafter ein.

Die Wahlkampfstrategen in der AfD müssen sich von der Vorstellung einer zentralistisch orientierten Wahlkampfführung verabschieden und gezielt auch nicht parteigebundene Bürgergruppen und Aktivisten in die Kampagne  einbeziehen. Influencer aus alternativen Medien können durch proaktive Einladungen zu Veranstaltungen, Diskussionsabenden und exklusiven Stammtischen involviert werden und somit eine wirksame Gegenöffentlichkeit für die Partei aufbauen. Schließlich können patriotische YouTuber, Streamer und Instagramer auch in der heißen Wahlkampfphase Einblicke durch Dokumentationen, Berichte und Livestreams in die Organisation, Koordinierung und den Imageaufbau der Spitzenkandidaten gewähren und so ein wichtiges Instrument zur Rekrutierung neuer Unterstützer, Helfer und Wähler sein.

Das Beispiel „Rezo“ im Europawahlkampf hat es vorgemacht, wie derartige Synergien funktionieren, die im konkreten Beispiel vor allem den Grünen geholfen haben, ohne dass Rezo eine offene Wahlempfehlung für die Grünen aussprechen musste.

Haustürwahlkampf

Auch in Deutschland nutzen immer mehr Parteien inzwischen das Instrument des Haustürwahlkampfes. Hierfür werden im Vorfeld regionale Schwerpunkte der eigenen Wählerschaft identifiziert, um sie anschließend zu mobilisieren und möglicherweise auch als indirekte Multiplikatoren zu nutzen, die im Freundes-, Arbeits- und Nachbarschaftskreis schließlich eine Wahlempfehlung aussprechen. Studien belegen, dass diese Art der direkten Wähleransprache weitaus effektiver ist als die reine Plakatwerbung, die zwar flächenmäßig breiter aufgestellt, aber auch mit hohen Streuverlusten verbunden ist. Gewiss geht es nicht darum, die Wahlkämpfer in direkte körperliche Gefahr zu bringen und Haustürwahlkampf in Leipzig-Connewitz, Berlin-Friedrichshain oder im Hamburger Schanzenviertel zu betreiben. Aber ein experimenteller Zugang in Regionen wie der Sächsischen Schweiz, in Vorpommern oder der brandenburgischen Provinz sollte ein lohnenswerter Testlauf sein, der auch bereits vor der heißen Wahlkampfphase als Übung und Training begonnen werden kann.

Fazit:

Vor allem für eine Oppositionspartei wie die AfD sollte der Wahlkampf immer auch als Bühne der politischen Profilschärfung und kommunikativen Durchdringung des konventionellen Medienzyklus genutzt werden. Die Auswahl an Tipps und Maßnahmen können eine sinnvolle strategische Grundierung geben, die in der heißen Phase der letzten 6 Wochen vor der Wahl wesentlich mehr Effektivität und Zielorientierung schaffen kann. Der Wahlkampf beginnt also jetzt! Anpacken!

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